Die Nacht von Sinos
Hocker und griff nach meiner Hand. Ich küßte ihre Finger.
»Ich bin hier zu einer Audienz bei Midas, dem König der Welt.«
Ihr Gesicht blieb völlig ausdruckslos. »Was ist geschehen? Sag's mir.«
»Das ist rasch erzählt. Die Geschichte letzte Nacht war gestellt. Ich sollte mein Schiff einbüßen. Ohne Schiff bin ich nichts. Dann wäre ich willig zu Aleko gekrochen gekommen, um seinen dreckigen Auftrag anzunehmen. Als der Plan daneben ging, mußten sie sich rasch eine neue Version ausdenken. Das ist ihnen auch prächtig gelungen. Ich stelle eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Das sagt zumindest die Polizei. Mein Boot ist beschlagnahmt, bis es mir gelingt, einen angesehenen und aufrechten griechischen Staatsbürger zu finden, der bereit ist, für mein weiteres Verhalten zu bürgen. Ich weiß nicht, ob dir ohne weiteres ein solcher Mann einfällt.«
»Und ohne das Schiff bist du nichts?« fragte sie sehr ernst. Seltsam, daß sie gerade an diesem Punkt einhakte. Ich hatte sie unbeabsichtigt verletzt. Meine Finger glitten durch ihr Haar. »Du weißt schon, wie ich es meine. Mit dem Schiff kann ich mich über Wasser halten, wenn auch nur knapp. Aber ich bin dann immer noch mein eigener Herr. Ohne das Schiff bin ich nichts. Ich sinke zu dem herab, was Morgan heute ist, oder ich muß einem anderen dienen: Aleko.« »Wirst du das tun?«
»Eines möchte ich wissen«, fragte ich, »wie hat er heute morgen reagiert, als er erfuhr, wo du letzte Nacht warst?«
»Du weichst meiner Frage aus. Aber gut: Er hat die Sache gar nicht erwähnt, und ich hab' mit ihm nicht darüber gesprochen. Nachdem Morgan mich herübergerudert hatte, ging ich sofort zu Bett. Ich schlief fünf Stunden lang, duschte und frühstückte. Dimitri habe ich nur einmal ganz kurz gesehen. Er gab mir den üblichen brüderlichen Kuß auf beide Wangen, erkundigte sich nach meinem Befinden und arbeitete weiter.«
»Also hat Yanni Kytros ihm Bescheid gesagt.« Ich sah hinüber zu Aleko, der inzwischen in der Tür stand, und erhob meine Stimme. »Haben Sie das alles gehört? Habe ich recht?« Er kam auf uns zu, eindrucksvoll und elegant in einer jener cremefarbenen Rehlederjacken, die sich nur Millionäre leisten können. Er legte Sarah seine leicht zitternde Hand auf die Schulter.
»Bei Gott, Sarah, ich hab' nicht gewußt, daß du dabei sein würdest.«
Sie sah zu ihm auf, und ihre Miene wurde tatsächlich weich. Leise antwortete sie: »Ich weiß, Dimitri, die besten Pläne ...«
Das war es vermutlich, was mich erst richtig aufbrachte. Ihre Haltung erschien mir völlig unlogisch. Ich sprang auf. »Und damit soll wieder alles in Ordnung sein, wie? Haben Sie eigentlich eine Ahnung, Aleko, was diese Schweine mit ihr vorhatten?«
Trotz all seiner neurotischen Angst kam jetzt ein Stück echte Männlichkeit in ihm zum Vorschein. Er war vermutlich wütend auf sich selbst, aber er richtete diese Wut gegen mich. Sein genauer rechter Haken traf mich unvorbereitet. Ich konnte nicht mehr ausweichen und flog mit dem Barhocker hintenüber. Der dicke Teppich dämpfte zwar den Sturz, aber die Wucht des Fausthiebs vernebelte mein Gehirn.
Ich holte tief Luft, sprang auf und griff nach einer Flasche. Dann geschah vielerlei gleichzeitig. Sarah schrie auf: »Nein, Jack, nein?« In derselben Sekunde stand Melos in der Tür, flankiert von seinen beiden Gorillas, die mit Maschinenpistolen bewaffnet waren.
Die Sache war zwar etwas zu aufwendig, aber durchaus eindrucksvoll. Sarah stand immer noch mit ausgebreiteten Armen zwischen Aleko und mir, als müßte sie ihn vor mir schützen. Aber sie hatte mich zum erstenmal Jack genannt.
Alles schien auf meinen nächsten Schritt zu warten. Ich ließ mir also Zeit, ging um die Bar herum und goß mir einen doppelten Whisky ein. Dann trank ich das Glas leer und stellte es behutsam wieder auf die Bar. Ich sah Aleko gerade ins Gesicht.
»Hunderttausend Dollar auf eine Genfer Bank, die ich im voraus bestimme, und zwar heute, und die Rückgabe des Bootes, sobald die Aktion zufriedenstellend beendet ist. Das ist mein Preis, Aleko.«
Er brachte es wieder einmal fertig, mich mit seiner Antwort zu überraschen.
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Ich wußte ja, daß Sie am Schluß vernünftig sein würden. In genau einer Stunde können Sie dieses Telefon nehmen, bei Ihrer Bank anrufen und sich die Überweisung bestätigen lassen, das garantiere ich.«
Er schickte Melos und seine beiden Männer mit einer Handbewegung hinaus und folgte
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