Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Gesprächspartner wünschte. So grüßte er ihn im Vorübergehen, nahm die Zeitung vom Sideboard und ging auf den Hof hinaus.
Er hatte gerade die größeren Überschriften auf der ersten Seite übersetzt, mühsam, denn das geschriebene Wort war für ihn ungleich schwerer zu verstehen als das gesprochene, als der Wirt vor ihm stand. Ob er ihm ein Glas Wein bringen könne. Maximilian wunderte sich, denn üblicherweise bedienten sie sich selbst. Manchmal gingen Vittoria oder Laura mit dem fiasco herum. So antwortete er freundlich, er wolle lieber mit dem Alkohol bis zum Abendessen warten, außerdem habe er gerade etwas getrunken. Unschlüssig wischte sich Piero die Hände an der Schürze ab. Niemand wusste etwas zu sagen, und als Maximilian gerade eine nichts sagende Bemerkung machen wollte, rannte der Wirt mit dem Ausruf "Heiliger Himmel, die polenta !" in die Küche zurück.
Später kamen Scott und Matteo. Seitdem sie eine gemeinsame Aufgabe hatten, schienen sie unzertrennlich. Wo sie gingen und standen, besprachen sie Einzelheiten ihres Vorhabens. Welche war die beste Methode, um die Spitzen der Bretter zu biegen? Heißer Dampf, wie der Amerikaner unerschütterlich behauptete, oder doch die quadrizza , eine riesige Schraubklemme, wie sie die Bergarbeiter benutzten, an die Matteo sich zu erinnern glaubte? Eine solche Frage, die sie vielleicht am Frühstückstisch leichtfertig angesprochen hatten, konnte sie einen Tag lang bis nach dem Abendessen beschäftigen, und Arkadij, dessen Hoffnung, die Wette zu gewinnen, mit jedem Tag stieg, verstand es geschickt, die Gräben zu vertiefen, die ihre unterschiedlichen Charaktere aufwarfen. Denn Scott hätte am liebsten alles, was ihm einfiel, sofort in die Tat umgesetzt. Matteo dagegen war es gewohnt, genauestens zu planen, Entwürfe zu machen, Formen und Abdrücke, und diese Arbeitsweise übertrug er auch auf das gemeinsame Projekt. Trotzdem schien es voranzugehen. Wenn Maximilian, der an diesem Abend nicht ganz bei der Sache war, richtig verstanden hatte, ging es nur noch darum, die Kraft des Motors zu Wasser zu bringen, ein Getriebe oder eine Welle zu finden, mit der Schiffsschraube und Kurbelwelle verbunden werden konnten.
Zur polenta gab es Fisch. Schwertfisch und Thunfisch und einen großen bläulichen, dessen Namen die Ausländer unter ihnen alsbald vergessen hatten. Vittoria trug auf, und obwohl sie alle Männer mit Ausnahme von Josef Lindemann mit einer ans Frivole grenzenden Koketterie behandelte, blieben Maximilians Augen an die Tür geheftet in der Hoffnung, aus den Tiefen des Gangs auch ihre Schwester auftauchen zu sehen. Doch es blieb bei der Hoffnung, denn Laura ließ sich den ganzen Abend über nicht blicken, und Maximilian beneidete zum wiederholten Male den anderen Deutschen, den Vittorias Eifersucht nicht zu berühren schien und vollauf damit beschäftigt war, Eleonora Petrelli und deren Tochter Margherita mit der einen oder anderen Geschichte aus seiner Heimatstadt zu unterhalten.
Gerade hatte er Berlin gerühmt, die erste Straßensignalanlage Europas erhalten zu haben. "Stellen Sie sich vor, die erste in ganz Europa!" Eine Bemerkung, die die Damen pflichtschuldig mit Erstaunen, aber auch Unverständnis kommentierten, so dass er einen längeren Vortrag über den Nutzen einer Lichtampelregelung für den zunehmenden Automobilverkehr anschließen durfte, was wiederum Giacometti, der Josef gegenüber neben der jungen Petrelli saß, nutzte, um süffisant einzuflechten, in Italien brauche man eine solche Anlage nicht, da man sich hier auf das Führen von Automobilen zweifellos besser verstehe als in Amerika oder in Deutschland gar, worauf zwischen den beiden Männern ein heftiger Streit darüber entbrannte, woran man den technisch hoch entwickelten Automobilbau erkenne und wer hier führend sei, bis schließlich die Witwe, im Versuch zu schlichten, die Männer bat, sie über die Fallstricke des Autofahrens aufzuklären und ihr freiheraus zu sagen, ob sie glaubten, auch eine ältere Dame wie sie - hier machte sie eine lange Pause, um die allgemeinen Proteste einzusammeln - könne es lernen. Natürlich wäre das ausschließlich eine Frage des richtigen Lehrers. Es hätte nicht viel gefehlt, und die beiden Kontrahenten hätten sich zu einem automobilen Wettrennen herausgefordert, um den sich hinziehenden Streit auf sportlichem Wege aus der Welt zu schaffen. Eine Duellforderung, die vermutlich vor allem deshalb unterblieb, weil niemand zu sagen gewusst hätte,
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