Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Täter oder Opfer, sondern nur verzweifelte Menschen gab, sah man von einigen faschistischen Milizionären ab, die sich fast fröhlich eingefunden hatten. Doch am Ende lagen die beiden Deserteure tot im Staub des Hofes, und als Maximilian zurück nach Monteforte fuhr, fragte er sich, wie er Laura wieder unter die Augen treten könne. Es sehnte sich nach seinem gemütlichen Posten in jener Nachrichtenzentrale im besetzten Frankreich zurück.
Das Gnadengesuch war abgelehnt worden. Fraglich, ob der Duce es überhaupt zu Gesicht bekommen hatte. Früh am Morgen war aus den Wachen und den Schreibkräften der Militärverwaltung ein Erschießungskommando zusammengestellt worden, dem ein blasser Leutnant vorstand. Und während dieser mit seiner Pistole herumfuchtelnd Anweisungen gab, dankte Maximilian Gott dafür, dass Vieri nicht unter den Unglücklichen war, die zitternd ihre Gewehre luden. Die Gefangenen lehnten eine Augenbinde ab. Und der Priester, der mit ihnen gekommen war, appellierte an das Peloton, gut zu zielen, um ihre Leiden nicht unnötig zu verlängern. Unter dem Gekicher und den Bemerkungen der faschistischen Milizionäre nahm das Erschießungskommando Aufstellung. Der Leutnant gab mit sich überschlagender Stimme den Befehl, die beiden Gefangenen riefen „Es lebe das freie Italien!“, und die Salve krachte in die Wand. Tatsächlich hatten die meisten danebengeschossen, vielleicht aus Absicht oder weil sie ihr Gewehr vor Angst kaum halten konnten. So musste der Leutnant nach vorne gehen und die noch schreienden mit einem Genickschuss hinstrecken. Anschließend fiel er selbst bewusstlos, nur wenige Schritte von ihnen entfernt, auf das Pflaster. Auch einige der übrigen Soldaten waren ohnmächtig geworden. So wurden an diesem Frühlingsmorgen viele reglose Gestalten vom Hof getragen.
Im Gehen fragte Maximilian die Milizionäre, was sie hier zu suchen hätten. Erstaunt sahen sie ihn an. Sie wollten das Schauspiel genießen, naturalmente .
6 . Kapitel
An einem Montag im März ereigneten sich zwei Dinge, die in keinem Zusammenhang zueinander standen, das Leben von Lauras Familie jedoch nachhaltig verändern sollten.
In den frühen Morgenstunden flog die Eisenbahnbrücke bei Pietrasanta in die Luft. Wenige Stunden später traf eine Abteilung der X. MAS-Flottille in Pontremoli ein. Sie tranken ausgiebig Wein, marschierten singend durch die Straßen, und als ihnen dort keine Feinde begegneten, ging es hinaus auf die Felder. Bis zum späten Nachmittag schossen sie auf die Bauern, die in den Weinbergen arbeiteten, dann stiegen sie müde und zufrieden auf ihre Lastwagen, um ebenso laut singend wie zuvor nach La Spezia zurückzufahren.
Augenzeugen sollten bei der Vernehmung von einem Großaufgebot bis an die Zähne bewaffneter Partisanen berichten, die auf dem Weg zum Fluss gesehen worden seien. Als diese Stimmen Vieri zu Ohren kamen – er hatte die Dynamitstangen gemeinsam mit zwei Kameraden angebracht und die Lunte höchstpersönlich angezündet – musste er laut und anhaltend lachen, erst dann spürte er, wie die Anspannung von ihm abfiel. Die Brücke lag nur wenige hundert Meter von seiner Kaserne entfernt, und so war es nicht schwer gewesen, unbemerkt dorthin und wieder zurück zu gelangen. Trotzdem konnte die Lage für ihn noch gefährlich werden, und so beschloss er, seinem Onkel in die Berge zu folgen.
Vittoria, Lauras ältere Schwester, hatte im gleichen Jahr wie sie selbst geheiratet, ein Zusammentreffen, das nur möglich geworden war, weil ihr zukünftiger Ehemann, ein wohlhabender Bauunternehmer mittleren Alters, auf eine Mitgift verzichtet hatte. Er war Gast in der Pension gewesen und hatte ihr schon nach zwei Wochen einen Heiratsantrag gemacht. Ob sie die immer wiederkehrenden Affären sattgehabt hatte, die Hoffnungen und Versprechungen, jenes Wechselbad der Gefühle, das spätestens im September mit der Abreise des jeweiligen Favoriten ein jähes Ende zu nehmen pflegte, oder ob der Neid auf die schon verheiratete jüngere Schwester sie dazu getrieben hatte, hätte sie vermutlich nicht einmal selbst zu sagen gewusst. Jedenfalls brauchte sie keinen Tag, um dem Drängen des nicht gerade ansehnlichen Bewerbers nachzugeben, eine Entscheidung, die sie bis zum heutigen Tage nicht bereut hatte.
Seit ihrer Hochzeit bewohnte sie ein herrschaftliches Haus gegenüber des Doms von Pontremoli, und wenn dessen Glocken im Chor mit jenen der restlichen vierzehn Kirchen den kleinen Ort mit einem dichten
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