Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
der nahe liegenden Namen gegeben, Gerechtigkeit und Freiheit! etwa, wenn nicht Stefano auf die Idee mit der Marionettenfigur gekommen wäre. Schließlich war der Krieg schon ernst genug, und die lustige Gestalt, die zudem so etwas wie ein Wahrzeichen seiner Heimat war – kaum ein Kind, das nicht eine aus Lumpen gebastelte Puppe sein Eigen nannte, kaum eine Aufführung eines der kleinen Wandertheater, in der nicht das obligatorische perdingolina! ertönte – passte seiner Meinung nach gut zur disziplinlosen, etwas chaotischen, aber doch liebenswerten Gruppe. So war auch das Amt, das er offiziell bekleidete, kein Zugeständnis an irgendeine Ideologie, die er hätte vertreten müssen. Als Politischer Kommissar hatte er dafür zu sorgen, dass die Jüngeren und Unerfahreneren keinen Unsinn anstellten, dass sie nicht raubten und mordeten wie wirkliche Banditen, dass ihr Handeln nicht vom Bedürfnis nach persönlicher Rache bestimmt wurde – wer hatte nicht die eine oder andere Rechnung offen? – und dass jede Aktion auf Sinn und Notwendigkeit geprüft wurde. Was hatte man von einer heldenhaften Tat, wenn am nächsten Tag die Zivilbevölkerung dafür bluten musste?
Vieri war in seiner Uniform gekommen. Er hatte sich ein rotschwarzes Band um den Arm gebunden und seit Tagen nicht rasiert. Ein dunkler Schatten lag auf seiner Oberlippe und ließ ihn älter, fast erwachsen erscheinen.
Die Brigade war angewachsen. Fast täglich stießen neue Männer hinzu, Versprengte, Deserteure, ehemalige Carabinieri und Armeeoffiziere, verängstigte Bauern, arbeitslose Handlanger und Wanderarbeiter. Manche schickten sie nach Rossano hinüber oder Richtung Monte Picchiara, andere reichten sie an die Genossen weiter, die sich oberhalb von Massa in den Apuanischen Alpen verschanzt hatten. Viele jedoch blieben, und so mussten sie bald über dreißig Mann ernähren und mit Waffen versorgen.
Die Nächte waren noch frisch, und oberhalb tausend Meter lag Schnee.
Die Laterne erlischt. Das war das Signal, auf das sie warteten, und als es eines Abends endlich über BBC London kam, machten sie sich auf dem Weg. Es wurde ein langer und beschwerlicher Aufstieg. Der Pfad zur kleinen Hochebene war in der Dunkelheit kaum zu erkennen, und wäre Leone nicht gewesen, der sie trittsicher führte, sie hätten mit den Waffen, die sie mitführten, den schweren Gerätschaften kaum hinaufgefunden. Dennoch brauchten sie Stunden, bis sie oben waren.
Die Internationalen um Hauptmann Lewis hatten schon Stellung bezogen. Am Eingang der schmalen, grasbewachsenen Ebene kauerten zwei Gestalten hinter einem leichten Maschinengewehr. Im letzten Augenblick wurden die Ankömmlinge erkannt und durften passieren. Es waren auch ein paar Männer der 28. Matteotti da. Die Kommunisten der Brigata Lunense stellten die zahlenmäßig größte Abordnung dar. Jede kämpfende Einheit im Umkreis von zwanzig Kilometern hatte zumindest ein paar Männer geschickt. Jeder schien Anspruch auf ein Stück des Kuchens anmelden zu wollen. Nur von Hayden und seinen Leuten war nichts zu sehen. Entweder hatten sie es zu weit, oder sie waren nicht so dingend auf Nachschub angewiesen wie die anderen.
Stefano und tenente Roberto gingen zum englischen Hauptmann hinüber. Lewis konnte, trotz der unförmigen Kleidung, in die er gehüllt war, seine Herkunft nicht verleugnen. Er glich einer jener Alabasterfiguren, Heilige zumeist, die man auf dem Markt von Lucca erwerben konnte und in Zeitungspapier eingewickelt mit auf dem Heimweg nahm. Ein als Bergbauer verkleideter Engländer mit ordentlich gestutztem Schnauzbärtchen und stets aufrechter, fast steifer Haltung. Sie gaben sich die Hand.
„Was meinen Sie? Werden sie heute Nacht kommen?“ Tenente Roberto sah Lewis forschend an. Vielleicht glaubte er, der Engländer sei tatsächlich besser über die Pläne der Alliierten informiert, vielleicht hoffte er auf eine Wesensverwandtschaft, eine ähnliche Art und Weise des Abwägens, mit der dieser intuitiv das Handeln seiner Landsleute hätte voraussagen können. Aber funktionierte das auch bei Amerikanern?
Der englische Hauptmann sah lange hinauf in den Himmel. Kein Stern war zu sehen. Vom zunehmenden Mond drang ein schwacher Schein durch die geschlossene Wolkendecke. Nur weit draußen vor der Küste schimmerte silbern das Meer. „Wenn sie heute nicht kommen...“ Er brach ab.
Sie hatten kaum Waffen, so gut wie keine Munition mehr, von Essen oder Zigaretten ganz zu schweigen.
Oberstleutnant Conti von
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