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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Engel ließ ihn reden, schien aber ungeduldiger zu werden, je länger es dauerte. Schließlich schlug er sich hart mit dem Stock in die offene Hand. „Es reicht, von Kampen, es reicht! Merken Sie denn nicht, dass Sie sich um Kopf und Kragen reden?“ Ruhiger fuhr er fort: „Es gibt Stimmen, die Ihre Bemühungen um Verständigung mit der Zivilbevölkerung für überzogen halten. Böse Zungen behaupten sogar, Ihre Beziehungen zum Feind, seien sehr persönlicher, ja“ - er hüstelte - „geradezu intimer Art.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mich immer geweigert, dies zu glauben. Allerdings beginne ich jetzt, nachdenklich zu werden, sehr nachdenklich...“
    „Er ist unschuldig...“
    „Er ist nicht unschuldig, er ist tot! Haben Sie das endlich verstanden?“ brüllte Engel.
    „Lassen Sie es gut sein, signor maggiore “, sagte Piero auf Italienisch.
    „Und du hältst das Maul!“ schrie der SS-Offizier, nahm seine Pistole aus dem Halfter und zog sie ihm mit einer schnellen Bewegung über den Kopf. Piero sackte auf die Knie. Ein dünnes Rinnsal Blut bildete sich hinter seinem Ohr.
    Mit einem Schritt war Engel hinter dem auf dem Boden Knienden, entsicherte seine Pistole und setzte sie ihm auf dem Hinterkopf. Er schien schon abdrücken zu wollen, als er sich besann. Langsam drehte er sich um. „Ich habe eine bessere Idee.“ Engel reichte Maximilian die Waffe. „Tun Sie es.“
    Verständnislos starrte Maximilian ihn an. Er fühlte sich unfähig, sich zu bewegen oder etwas zu sagen.
    „Erschießen sie ihn!“
    Lange schwieg er, schließlich brachte er mit tonloser Stimme heraus: „Das können Sie nicht von mir verlangen...“
    „Heute kann ich alles verlangen. Zeigen Sie mir, auf welcher Seite sie stehen. Drücken Sie ab!“
    Maximilian starrte auf die Waffe. Schwer und kalt lag sie in seiner Hand. Angestrengt sah er auf das schwarze Stück Metall, als gelänge ihm nicht, zu durchschauen, wie und wozu man es benutzte.
    „Das ist ein Befehl!“
    Und während Engel weiterschrie, ihn anfeuerte und ihm drohte, hob sich langsam der Lauf, fast ohne sein Zutun zeigte er schließlich auf Pieros Hinterkopf. Dann ließ er ihn wieder sinken. „Ich kann nicht...“
    „Schießen Sie!“ Engel schien außer sich. Er riss seinem Adjutanten die Pistole aus dem Halfter und drückte die Mündung Maximilian in den Nacken. „Schießen Sie! Oder ich werde abdrücken. Das schwöre ich Ihnen bei Gott!“ Leiser, wie zu sich selbst, fügte er hinzu: „Denn so spricht der Herr. Heute ist der Tag der Vergeltung, und es zählt nicht die Farbe des Blutes, das vergossen wird, solange es nur in Strömen fließt. – Hören Sie mich, von Kampen? Es ist mein gottverdammter Ernst.“
    Und Maximilian stand da, spürte die Kälte des Laufs, das sich in seinen Nacken bohrte, spürte die schweren Tropfen, die von der unsichtbaren Decke fielen, auf ihn fielen und auf die Gebete der Menschen.

10. Kapitel
     
    Es wurde ein Sommer der Feuer und ein Sommer der Höhlen, ein Sommer der blutroten Flüsse und ein Sommer der leise betenden Menschen.
    Bald danach begannen die Vertreibungen, und wie zweitausend Jahre zuvor machten sich die Bewohner der Küste auf den Weg in die Berge oder weiter hinauf nach Norden. Mit der näher rückenden Front leerten sich Dörfer und Städte, und auch die Besatzer zogen einen Großteil ihrer Truppen ab. Als dann im November die Apenninfront zur Gotischen Linie erstarrte, verloren sich kaum tausend deutsche Soldaten im Dreieck zwischen Berge und Meer.
    So verbissen alle Seiten noch im Sommer um dieses Stück Land gerungen hatten, plötzlich schien sich das Interesse der Welt woandershin verlagert zu haben, auf die Ost- und Westfront, die Deutschland einzuschnüren begann, auf den fernen Krieg im Pazifik, der immer blutiger wurde.
    Zwischen La Spezia und Viareggio war es dagegen ruhig geworden, friedlich fast. Mit der SS waren auch die einheimischen Faschisten abgezogen, jene wenigen, die zurückgeblieben waren, wurden nun ihrerseits verjagt oder getötet. Es gab keine Besatzer mehr und keine Behörden, keine Milizen und keine Armeen. In den sich selbst überlassenen Städten und Dörfern begann man, sich selbst zu helfen. Und während man auf die Alliierten wartete, deren Geschützdonner schon zu hören war, wenn der Wind günstig stand, begann jener langer Winter der Anarchie.
    Wie viele Partisanen war auch Stefano in sein Haus zurückgekehrt. Die Brigaden hatten sich aufgelöst oder waren jenseits der

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