Die Nacht zum Dreizehnten
kam.
»Noch nicht! Ich habe eben noch einmal sicherheitshalber beim Pförtner nachgefragt, ob dort eine Nachricht eingegangen ist. Aber das war leider nicht der Fall.«
»Dann müssen wir wohl weitermachen. Wollen Sie?« Sie reichte Heidmann das Skalpell, aber dieser wehrte erschrocken ab.
»Lieber nicht! Ich weiß nicht einmal genau, wie tief ich da einschneiden muß. Das gäbe bestimmt Ärger.«
Er glaubte ein amüsiertes Lächeln auf Schwester Arianes Gesicht zu sehen und wollte schon ärgerlich auffahren. Aber dann redete er sich ein, daß das wahrscheinlich eine Täuschung gewesen sein mußte.
»Ich habe auch versucht, Dr. Bruckner zu erreichen«, berichtete Chiron. Er war hinter die Operierende getreten und betrachtete interessiert den Verletzten. »Aber da ist auch nichts zu machen. Er hat keine Telefonnummer hinterlassen.«
IV
Thomas Bruckner hatte – endlich einmal als Privatmann – in der Weinstube am Dom ein kleines Nachtmahl eingenommen: hausgemachten Kartoffelsalat mit Schweinebraten; und hatte dazu einen Hecklinger Wein getrunken. Er bezahlte und verließ das Lokal. Dann bummelte er die Hohe Straße entlang und hatte das Gefühl, Urlaub zu machen. Sonst hing er immer an der Strippe des Telefons oder an dem Piepser, den er mit sich trug, damit er überall erreichbar war. Man genießt einen freien Abend um so mehr, desto seltener man ihn hat!
Er war in die Friesenstraße eingebogen, bummelte zum Ring hinunter, blieb dann und wann vor einem Geschäft stehen und betrachtete die Auslagen. Er kam sich vor wie ein Kind, das Weihnachten die Märchenschaufenster der Warenhäuser anschaut. Für ihn war alles neu …
Er war am Ring angekommen und blieb plötzlich stehen. Auf der anderen Seite ging Oberarzt Wagner. Er überlegte, ob er ihn begrüßen sollte, aber dann zog er es vor, das nicht zu tun. Kollege Wagner hätte ja eigentlich in der Klinik sein müssen, aber vielleicht hatte er sich für kurze Zeit abgemeldet.
Vor der einzigen Hausbrauerei Kölns, die Bekannte ihm schon lange empfohlen hatten, blieb Thomas Bruckner stehen.
Er trat ein und setzte sich an einen der Holztische. Die Kellner heißen hier Köbesse. Sie gingen mit blauen Schürzen durch das Lokal und trugen die typischen runden Tabletts, auf denen die Kölschgläser in der Runde aufgereiht waren.
Er saß kaum da, stand schon ein Köbes vor ihm. »Ein Kölsch?«
Das Glas stand bereits auf dem Tisch, bevor der Gast etwas sagen konnte.
Bruckner mußte lachen. Eine solche Bedienung hatte er noch nie erlebt. »Können Sie Gedanken erraten?« wandte er sich lächelnd an den Köbes.
»Nein, aber wer hier reinkommt, trinkt Kölsch!« war die Antwort. Bruckner sah sich um. Das Publikum schien der alteingesessenen guten Kölner Bürgerschaft anzugehören.
Einmal klingelte das Telefon an der Theke, Thomas Bruckner erschrak und griff … nicht nach dem gewohnten Telefonhörer, sondern nach dem Glas, das vor ihm stand. Der Reflex, auf eine Telefonklingel zu reagieren, war noch in ihm. Er überlegte, ob er nicht doch in der Klinik anrufen sollte, nachdem er Oberarzt Wagner in der Stadt gesehen hatte. Aber dann trank er sein Glas leer. Wagner schien in ein Kino gegangen zu sein, er hatte bestimmt seine Telefonnummer hinterlassen.
Seine Gedanken wanderten zur Klinik zurück, zu Schwester Ariane. Er ertappte sich schon zum wiederholten Male dabei, daß er an sie dachte. War er schon in sie verliebt?
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Irgend etwas an dieser Frau reizte ihn. Sie war sehr hübsch – von der Schönheit der nicht mehr ganz jungen, aber auch noch nicht zu reifen Frau. Sie schien außerdem auch noch klug zu sein, eine Eigenschaft, die den meisten schönen Frauen abgeht.
Er versuchte, ihren Beruf mit ihrer Schönheit in Zusammenhang zu bringen. Das gelang ihm nicht.
Es war schwierig zu begreifen, daß jemand sich nicht nur kostspielig kleidete, sondern daß auch die anderen kleinen Dinge, die so oft vernachlässigt werden, sorgfältig ausgesucht und ebenso teuer waren wie die Kleidung.
»Noch ein Glas?« Der Köbes hatte das leere Glas schon fortgenommen. Bevor der Gast noch etwas sagen konnte, stand schon das zweite Glas vor ihm. Er mußte aufpassen, daß er nicht zuviel trank. Doch dann tröstete er sich. Er hatte schließlich aus der Weinstube mit Luises Kartoffelsalat eine gute Unterlage, so daß er ruhig ein Glas mehr trinken konnte. Außerdem fuhr er nicht Auto, so daß von dieser Seite keine Gefahr bestand. Es
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