Die Nacht zum Dreizehnten
zu erkennen.
»Wir warten auf den Oberarzt. Er muß jeden Augenblick …« Heidmann beendete den Satz nicht. Fragend sah er Ariane an, die an den Kranken herangetreten war, ihr Ohr auf die Brust legte und angestrengt lauschte.
»Ein Spannungspneu!« Sie zeigte auf die blutunterlaufene Stelle auf der rechten Brustseite. »Sie müssen eine Entlastungspunktion vornehmen.« Als Dr. Heidmann sie verständnislos anschaute, wandte sie sich an die Aufnahmeschwester, die am Schreibtisch saß und ratlos zuschaute.
»Haben Sie eine dicke Kanüle? Los!« Schwester Ariane stampfte mit dem Fuß auf. »Sie sehen doch, daß es eilt! Wenn nicht sofort etwas unternommen wird, bleibt uns der Patient auf dem Tisch.«
Sie ging rasch an den Glasschrank, in dem die Instrumente aufbewahrt wurden, öffnete ihn energisch, hob den Deckel einer Glasschale ab und nahm eine dicke Nadel heraus.
»Los!«
Einen Augenblick lang sah es aus, als ob sich die Anwesenden gegen die Anordnungen der Schwester auflehnen wollten, aber ihre Stimme hatte etwas Autoritäres. Der anfängliche Widerstand gab sich sofort. Dr. Heidmann griff nach der Flasche mit der braunen Flüssigkeit, tränkte einen Tupfer damit und schaute Ariane fragend an.
»Wo?«
»Am besten in der vorderen Mediociavicularlinie. Hier!« Sie deutete auf die linke obere Brustseite.
Sofort desinfizierte Dr. Heidmann die Haut an der angegebenen Stelle. Schwester Ariane hielt die Kanüle zwischen Daumen und Zeigefinger fest. Mit der linken Hand spreizte sie die Haut zwischen zwei Rippen und stach die Kanüle entschlossen ein.
Gespannt standen alle Anwesenden um sie herum und verfolgten jede ihrer Bewegungen. Vorsichtig drückte Ariane die Nadel durch die Haut, immer tiefer in das Gewebe hinein …
Einmal sah es aus, als ob Dr. Heidmann sie daran hindern wollte, weiterzustechen, weil er fürchtete, sie könnte einen Schaden anrichten.
Sie schob seine Hand zurück, die nach der Kanüle greifen wollte. »Ich brauche einen abgeschnittenen Fingerling …«
Sie sah, daß sich auf Heidmanns Gesicht Ablehnung zeigte. »Bitte!« fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Ich brauche einen Verschluß für die Kanüle.«
Dr. Heidmann zögerte einen Augenblick, aber dann ging er an den Schrank heran, holte einen Handschuh hervor und schnitt einen Fingerling ab. Er brachte ihn der Schwester. Sie nahm ihn und stülpte ihn über das äußere Ende der Kanüle, das aus dem Brustkorb hervorragte. »Einen Faden, bitte …«
»Ist schon da.« Dr. Phisto war zurückgekommen und sprang sofort ein. Er reichte Schwester Ariane den Faden. Sie band den Fingerling über die Kanüle, griff nach der Schere und schnitt an dem geschlossenen Ende ein Loch ein. Dann faßte sie die Kanüle fest zwischen Daumen und Zeigefinger und schob sie tiefer in den Brustkorb hinein.
Dr. Heidmann erschrak zu Tode, als ein lautes Pfeifen ertönte, das immer wieder von einem Knattern unterbrochen wurde. Der Gummifingerling an der Kanüle hatte sich jetzt ballonmäßig aufgebläht. Aus dem Loch, das die Schwester eingeschnitten hatte, strömte Luft wie aus einer Pfeife und erzeugte hier den merkwürdigen Ton.
»So, jetzt haben wir erst einmal dem Kranken das Leben gerettet. Viel länger hätte er den Spannungspneu nicht ausgehalten. Er wäre erstickt. Und nun …« Schwester Ariane ging nun selbst an den Instrumentenschrank und nahm aus einem Kasten ein paar Handschuhe. »Nun brauche ich ein Skalpell. Wenn Sie hier –«, sie deutete auf den Hals, »noch etwas jodieren wollen?« wandte sie sich an Heidmann.
»Selbstverständlich! Was haben Sie dort vor?«
»Ich muß jetzt das lebensbedrohende Hautemphysem entlasten. Die Luft muß heraus!« Sie schaute zu, wie Heidmann das goldgelbe Desinfektionsmittel auf den Hals auftrug und stand mit gezücktem Messer neben dem Untersuchungstisch. Dann und wann pfiff es aus der Kanüle, und kreischend flatterte der Fingerling, wenn aus der Kanüle Luft strömte und sich einen Weg durch die kleine Öffnung im Fingerling bahnte.
Dr. Phisto hatte nach dem Puls des Patienten gegriffen.
»Nun – wie steht es?«
»Viel besser! Sie scheinen tatsächlich den lebensrettenden Einstich vorgenommen zu haben.«
Dr. Heidmann deutete auf den Hals, den er inzwischen in weiter Ausdehnung angepinselt hatte. »Fertig!« erklärte er, trat zurück und ließ Schwester Ariane seinen Platz einnehmen.
»Hat sich Oberarzt Wagner noch nicht gemeldet?« fragte sie den Pfleger Chiron, der von draußen
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