Die Nacht zum Dreizehnten
woran man ist. Das ist jetzt noch besonders kritisch, weil der Chef auch nicht da ist. Sonst könnte man sich zur Not an den wenden. Ich glaube, ich höre den Lieferwagen!«
Er ging ans Fenster, öffnete es weit und lehnte sich hinaus. »Ja, das Tü-ta-tü kommt näher.«
»Hat man Ihnen denn gesagt, um was für einen Unfall es sich handelt?« Heidmann trat neben Phisto ans Fenster.
»Ein Mann ist vom Pferd getreten worden. Es muß sich um den Stallburschen irgendeines Prominenten handeln. Anscheinend hat der Gaul ihn ganz schön zugerichtet. Aber viel mehr konnte man mir auch nicht sagen – außer, daß er bewußtlos ist.«
»Das ist ein Unfall, den wir noch nie gehabt haben. Nun bin ich aber gespannt, was da auf uns zukommt.«
Das Sirenengeheul des Krankenwagens kam näher. Man hörte, wie das Auto auf den Hof fuhr, wie Bremsen knirschten. Ein Schlag klappte.
Die beiden Ärzte waren vom Fenster zurückgetreten, öffneten die Tür und schauten den langen Gang entlang. Es dauerte nicht lange, bis eine Trage angerollt kam und zur Aufnahmeabteilung gebracht wurde.
»Sieht ziemlich übel aus!« erklärte einer der beiden Sanitäter, als sie den Patienten auf den Untersuchungstisch legten.
»Benachrichtigen Sie Schwester Ariane«, ordnete Dr. Heidmann an. Die Aufnahmeschwester griff nach dem Telefon und drehte eine Nummer. »Sie möchten bitte sofort in die Aufnahme kommen.«
»Hier sind seine Papiere. Sie staken in der Tasche des Overalls.« Der Sanitäter legte eine Karte auf den Tisch. »Scheint die Mitgliedskarte eines Fußballvereins zu sein. Einen Personalausweis hatte er nicht bei sich.«
Dr. Heidmann winkte Chiron, der in der Tür erschienen war. »Entkleiden Sie den Patienten, bitte. Aber vorsichtig!« Er deutete auf den Kopf. »Ein Hautemphysem hat er auch.«
Er deutete auf das geschwollene Gesicht und den verdickten Hals. Als er mit dem Finger darauf drückte, knisterte es. »Es scheint eine Rippe gebrochen zu sein, die den Thorax durchbohrt hat.«
»Hübsch sieht das nicht aus«, kommentierte Dr. Phisto. »Wollen Sie irgend etwas gegen das Hauptemphysem unternehmen?«
»Ich warte unten auf Wagner«, sagte Dr. Phisto und ging hinaus.
Heidmann fühlte nach dem Puls und schüttelte den Kopf. »Er steht unter dem Einfluß eines Schocks. Wir werden ihn auf jeden Fall an einen Tropf hängen. Haben Sie die Infusionsflüssigkeit da?«
»Liegt dort im Schrank beim Schockbesteck!« Die Aufnahmeschwester öffnete die Schranktür und holte eine große Flasche heraus. »Soll ich alles vorbereiten?«
»Ich bitte darum! Wie gut, daß Sie kommen«, wandte sich Heidmann an Schwester Ariane, die in der Tür stand und die Menschen in dem Raum betrachtete. »Sie können gleich Ihre Bewährungsprobe bestehen. Wir haben hier einen schweren Unfall …«
»Mit Hautemphysem.« Sie hatte dem Kranken gleichfalls auf die kissenartige Schwellung am Hals gedrückt.
»Waren Sie mal in der Unfallchirurgie tätig?« Dr. Heidmann wunderte sich über die Diagnose, die die Schwester stellte.
»Gewiß, eine ganze Weile!« Sie trat an die andere Seite des Untersuchungstisches und legte dem Kranken die Hand auf den Leib, den der alte Pfleger inzwischen freigelegt hatte. Sie drückte vorsichtig darauf und sah dann Dr. Heidmann fragend an.
»Was wollen Sie tun?«
»Abwarten, bis Oberarzt Wagner kommt. Ich traue mich da allein nicht ran. Aber –«, er hob begütigend die Hand, »er muß jeden Augenblick anrufen.«
Schwester Ariane drückte noch einmal den Leib des Verletzten ein, hob die Oberlider mit ihrem Zeigefinger in die Höhe und betrachtete die Pupillen. Kopfschüttelnd stand sie vor Dr. Heidmann.
»Ich würde nicht warten. Hier muß sofort etwas geschehen – sonst stirbt Ihnen der Patient vor Ihren Augen.«
Dr. Heidmann sah jetzt auch den großen Diamantring und die weißgoldene Uhr. Er roch das teure Parfüm, das wie eine dezente Wolke Ariane umgab.
»Was soll ich denn machen? Ich sehe ja ein, daß es dem Kranken nicht gutgeht, aber …« Er hatte den Irrigatorständer herangezogen und legte einen Schlauch um den Oberarm. Die Schwester reichte ihm einen mit Alkohol getränkten Tupfer. Er rieb die Ellenbeuge ab, schnürte den Gummischlauch zusammen, wartete, bis die Adern blau in der Ellenbeuge hervortraten, dann stieß er mit einem Ruck die Kanüle in die Vene. Nun öffnete er den Hahn, der den zuleitenden Schlauch verschloß, und schaute in das Tropfglas; dann regelte er durch mehr oder minder starkes
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