Die Nachtmahr Wunschträume
Englischunterricht hatten und ich nicht wusste, wie gut Mister Mayers Gehör war. Falls es sein »Mahr-Superpower« war, Flüstern zu hören, wollte ich auf keinen Fall der Depp sein, der ihn irgendwie auf Klaus’ Spur lenkte.
Deswegen wartete ich bis zum Klingeln. Und das, obwohl niemand besser schmollen konnte, als meine beste und menschlichste Freundin.
»Also? Wer war es?« Zu meiner Überraschung war es Rebecka, die zuerst ihre Chance nutzte. Dabei hatte sie sich während des ganzen Unterrichts vornehm zurückgehalten.
»Wer?«, erkundigte ich mich deswegen unschuldig.
»Dein Date.«
»Es war kein Date«, protestierte ich und ignorierte die Blicke die sich Rebecka und Daria zuwarfen. Als wäre ich naiv oder gar blöd oder könne ein Date nicht einmal erkennen, wenn es mich in den Hintern trat.
»Wenn es kein Date war, was war es dann?, fragte Rebecka. Dabei äffte sie meinen unschuldigen Ton nach.
»Mein Stiefonkel.«
»Ja, sicher!«, prustete Daria und Rebecka verdrehte die Augen.
»Es war Klaus.«
»Niemals.« Daria schüttelte den Kopf. Doch Rebecka wirkte nachdenklich. Noch während Daria protestierte, meinte sie: »Das ist kein gutes Zeichen.«
»Wieso?«
»Ich habe Geschichten von ihm gehört. Geschichten von früher.« Sie rieb sich die Arme, als sei ihr plötzlich sehr sehr kalt. »Wir alle kennen die Geschichten …«
Sie sah zu Elijah und zu Jonah, die bei David standen, als könnten die beiden ihre schlimmen Erinnerungen vertreiben. »Er soll in der Lage gewesen sein, Unglaubliches zu tun, unglaubliche Fähigkeiten haben.«
Ich schwieg. Denn einen unglaublichen Klaus konnte ich mir genausowenig vorstellen, wie einen, der sich plötzlich in den heißen Typen verwandelt hatte, der er war.
»Er war der stärkste Tagmahr seiner Zeit, sollte ihr König werden«, fuhr Rebecka fort, und klang, als wären ihr selbst die Worte nicht geheuer.
»Und dann?«, drängelte Daria.
»Keine Ahnung. Er hat aufgegeben. Ist verschwunden und zu Liz’ Stiefonkel geworden.« Rebecka sah uns an, als könne sie des Rätsels Lösung in unseren Gesichtern finden.
Ich konnte spüren, wie sich meine Miene verhärtete und meine Zähne aufeinander rieben. Trotzdem schaffte ich es, mir weder etwas anmerken zu lassen, noch zu erklären, warum Klaus »aufgegeben« hatte. Schließlich ging das niemanden etwas an. Nicht einmal Freundinnen.
»Ich denke, es ist ein verdammt schlechtes Zeichen, wenn er wieder zu alter Form aufläuft.«
Ich zuckte mit den Schultern. War es das? Wirklich?
»Wir müssen es verhindern. So früh wie möglich. Irgendetwas hat die Veränderung ausgelöst. Was?«
Rebecka und Daria sahen mich an, doch ich schüttelte den Kopf, obwohl ich die Antwort kannte. Mein Blumengeschenk von heute, ein Löwenmäulchen, war Indiz genug – und brachte nicht nur seine wie auch immer gearteten guten Vorsätze ins Wanken.
Eine halbe Stunde später waren auch meine Vorsätze, die Schule betreffend in arge Mitleidenschaft gezogen worden. Denn ich befand mich wieder in der Timeless-Zone.
Aber nicht allein. Dieses Mal wirkten die anderen um mich herum ebenfalls träge, schläfrig, und als ich nach draußen sah, benötigte ich für diese Kopfbewegung gefühlte fünf Minuten. Auch dort liefen die Leute herum wie die Traumtänzer. »Hans guck in die Luft« wäre stolz auf die meisten von ihnen gewesen.
Lag es am Wetter oder war es eine generelle Grundstimmung, die heute in der Luft lag?
Ich versuchte nach Schatten zu spähen, nach Nachtmahren, doch dort war nichts. Es war ein ganz normaler Tag, vielleicht sogar ein wenig schöner. Mit blauem Himmel und strahlender Sonne bei trotzdem angenehmen Temperaturen. Warum wirkten dann die meisten Schüler, als wären sie geistig in anderen Realitäten?
Ich blinzelte und gähnte. Nur mit Mühe und Not konnte ich überhaupt noch meine Augen offen halten. Mit der letzten Geistesgegenwart, die mir zur Verfügung stand, bohrte ich mir die Spitze meines Bleistiftes in den Unterarm. Die Schmerzen rissen mich aus der Lethargie und ließen Adrenalin durch meine Adern fließen. Schlagartig fiel die Müdigkeit von mir ab und machte einer umfassenden Verwirrung Platz.
Doch der erste Eindruck stimmte: Die anderen wirkten immer noch als würden sie in einem Tagtraum gefangen sein.
Einem Tagtraum?
Wieder sah ich mich um, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. Ich hatte ja nicht einmal eine Ahnung, auf was ich hätte achten müssen oder können. Ich schüttelte den Kopf.
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