Die Nachtmahr Wunschträume
gebrauchen. Vor allem keine Ablenkung in Form von Gedanken an jemanden, der mich jetzt mochte, aber mich sehr bald hassen, verfolgen und vielleicht sogar töten würde.
Verflixt! So viel also zu meiner Nicht-Ablenken-Taktik.
Mit Anlauf sprang ich auf mein Bett (schlechte Angewohnheiten und jahrelang gepflegte Ängste vor der Dunkelheit unter dem Bett starben nur langsam), verfluchte die weiche Matratze, die mich einzusaugen drohte, kämpfte mich wieder hoch und platzierte mich so in den Kissenmassen, dass ich einigermaßen bequem lag. Jaaa, so ließ es sich aushalten!
Also, was konnte man schönes mit seinem Leben machen, wenn man ein »Nachtmahr Undercover« war? Welchen Lebenstraum konnte man noch verwirklichen und wie seinen Lebensunterhalt verdienen? Ich dachte einen Moment lang über diese Fragen nach. Wie viele Menschen wurden jedes Jahr in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen? Wie viele verschwanden, ohne eine Spur zu hinterlassen?
Es war definitiv möglich – vielleicht konnte ich sogar beinahe alles machen, alles werden, was ich wollte. Alle meine ersten Befürchtungen und Ängste in dieser Richtung waren nur meiner Panik zuzuschreiben gewesen. Aber warum fühlte ich mich dann kein Deut besser? Antwort: Weil ich nicht weg wollte – weil ich endlich etwas gefunden hatte, weswegen ich unbedingt bleiben wollte.
Oder egoistisch ausgedrückt: Weil ich mich gut fühlte, geliebt und gebraucht.
Ich schloss die Augen und dachte daran, dass in drei Tagen all das Vergangenheit sein würde. Aber mir fiel partout nichts ein, was ich dagegen tun konnte. Zumindest nichts, womit mein Gewissen klar kam.
Der sanfte Kuss auf meine Stirn erschreckte mich. Und der Schreck ließ auch nicht nach, als ich erkannte, wem ich diesen Trost zu verdanken hatte: David?!
Er saß auf meiner Bettkante und betrachtete mich mit solch einer Mischung aus Wehmut und liebevoller Akzeptanz, dass mir flau wurde. Hatte ich wieder etwas verpasst?
Statt etwas zu sagen, sich zu erklären oder auch nur den Versuch zu unternehmen, mir die Situation näher zu bringen, strich mir mein Stiefbruder zärtlich die Haare aus dem Gesicht. Dann beugte er sich weiter vor.
Ich wich zurück, weil sich alles in mir versteifte. Dabei hatte ich so oft davon geträumt. Von solch einer Szene, von solch einer Versöhnung. Aber es war falsch.
Er
war falsch. Der Falsche.
Und es stimmte nicht! Alles daran ...
Verwirrt und wütend versuchte ich zu ergründen, was es war. Mein Zimmer war perfekt. Mein Bett wie immer. David vertraut, verlockend und süß. Erst als ich die Blumen nicht mehr auf meinem Schreibtisch fand, fiel es mir auf: Ein Traum.
Ich war in einem gottverdammten Tagtraum!
»David!«, brüllte ich, noch während mein Körper erwachte. Ich mochte ein naiver Idiot sein, aber wütend konnte ich immer noch verdammt schnell werden. Und jetzt war ich rasend – und wurde sogar noch rasender, als ich das Flirren in der Luft erkannte, welches ich schon einmal gesehen hatte. Dieses Mal verblasste es nicht, sondern wurde unter meiner Aufmerksamkeit sogar noch deutlicher. Wie eine farbliche Spur zum Auslöser des Traumes.
Wie erwartet führte sie direkt durch die Wand in den Nachbarraum. Hatte ich es mir doch gedacht, dass ich nicht freiwillig von meinem Stiefbruder geträumt hatte und ... mir fielen die Träume ein, die ich in den letzten Tagen gehabt hatte. Nicht die schlimmen, unheimlichen. Die erotischen. Schlagartig wurde mir klar, dass wahrscheinlich kein einziger von ihnen seinen Ursprung in meiner eigenen Fantasie gehabt hatte. Mit einem lästerlichen Fluch auf den Lippen stürmte ich aus meinem Zimmer und ohne anzuklopfen in Davids.
»Wie kannst du es wagen?«, polterte ich los.
David wirkte überrascht, fing sich aber schnell wieder. Im Bruchteil einer Nanosekunde war er von seinem Bett aus liegender Position hochgeschossen und stand mir gegenüber.
»Kannst du nicht klopfen?«, fauchte er mich an.
»Kannst du nicht aufhören, dich in meinen Träumen herumzutreiben?«
»In deinen Träumen? Ich bitte dich!« David sah mich an, als hätte ich ein Rad ab und wäre nicht einmal einen Gedanken wert, geschweige denn einen Traum. Aber ich wusste es besser. Ungerührt hielt ich seinem Blick stand, bis er ihn senkte. Erst jetzt fiel mir auf, dass er halbnackt war. Sein Körper, nur mit einer Bluejeans bekleidet und mit nacktem Oberkörper war ein toller Anblick. Zumindest, wenn man nicht die Vergleichsmöglichkeit hatte, die ich inzwischen kannte. Ein
Weitere Kostenlose Bücher