Die Nachtwächter
hatte darüber nachgedacht, während langer Nächte in der
Dunkelheit. Sie beschützte ihn vor dem Tier, denn das Tier wartete in
der Finsternis im Innern seines Kopfes.
Er hatte Werwölfe mit bloßen Händen getötet. Zu dem Zeitpunkt
war er vor Entsetzen geradezu wahnsinnig gewesen, aber das Tier hatte
ihm Gesellschaft geleistet und ihm Kraft gegeben…
Wer wusste, welche Verderbtheit in den Herzen von Menschen
lauerte? Ein Polizist. Nach zehn Jahren glaubte man, al es gesehen zu
haben, doch die Schatten tischten einem immer mehr auf. Man sah, wie
nah die Menschen beim Tier lebten. Man begriff, dass Leute wie Carcer
nicht verrückt waren, sondern unglaublich gesund. Es waren schlicht
Menschen ohne einen Schild. Sie hatten sich die Welt angesehen und
erkannt, dass sie sich nicht an die Regeln halten mussten, wenn sie nicht
wol ten. Sie ließen sich von den vielen kleinen Geschichten nicht zum
Narren halten. Sie schüttelten dem Tier die Hand.
Aber er, Sam Mumm, hatte sich an der Dienstmarke festgehalten und,
als das nicht mehr genügte, nach der Flasche gegriffen…
Er fühlte sich, als hätte er die Flasche erneut in der Hand. Die Welt
drehte sich um ihn herum. Wo war das Gesetz? Die Barrikade vor
ihm… Wen schützte sie vor was? Ein Irrer und seine zwielichtigen
Gesel en herrschten über die Stadt, und wo war das Gesetz ?
Polizisten sagten gern, dass die Leute das Gesetz nicht in die eigenen
Hände nehmen sol ten, und sie glaubten zu wissen, was sie damit
meinten. Aber sie dachten an friedliche Zeiten und an Männer, die den
Nachbarn mit einem Knüppel zur Schnecke machen wol ten, weil sein
Hund einmal zu oft sein großes Geschäft vor der falschen Haustür
erledigt hatte. Aber wem gehörte das Gesetz in Zeiten wie diesen ? Wenn es nicht in den Händen der Leute sein sol te, wo dann? In den Händen
von Leuten, die es besser wussten? Dann bekam man Winder und seine
Kumpel, und welchen Sinn hatte das?
Was sol te als Nächstes geschehen? O ja, er hatte eine Dienstmarke,
aber es war nicht seine, nicht in dem Sinne… Und er hatte Befehle
bekommen, die falschen… Und er hatte Feinde, aus den falschen
Gründen… Und vielleicht gab es keine Zukunft. Sie existierte nicht mehr. Es gab nichts Reales, keinen festen Punkt, auf dem er stehen
konnte. Es gab nur Sam Mumm dort, wo er eigentlich gar nicht sein
sollte…
Sein Körper schien so viel Kraft wie möglich zum Entwirren der sich
überschlagenden Gedanken einsetzen zu wol en und musste dazu
Ressourcen von anderen Bereichen abziehen. Es wurde dunkel vor
Mumms Augen. Ihm zitterten die Knie.
Es gab nur noch bestürzte Verzweiflung.
Und viele Explosionen.
Havelock Vetinari klopfte höflich ans Fenster des kleinen Büros neben
dem Haupteingang der Assassinengilde.
Der Dienst habende Pförtner öffnete die Klappe.
»Ich melde mich ab, Herr Kastanie«, sagte der Assassine.
»Jaherr«, sagte Kastanie und zog ein dickes Buch zu sich heran. »Und
wohin gehen wir heute, Herr?«
»Allgemeines Auskundschaften, Herr Kastanie. Ich sehe mich nur ein
wenig um.«
»Ah, gestern Abend habe ich zu Frau Kastanie gesagt, Herr, dass du
es ausgezeichnet verstehst, dich umzusehen«, sagte Kastanie.
»Wir sehen und lernen, Herr Kastanie, wir sehen und lernen.« Vetinari
schrieb seinen Namen in das Buch und schraubte den Federhalter
wieder zu. »Und wie geht es deinem kleinen Jungen?«
»Danke der Nachfrage, Herr, es geht ihm viel besser«, sagte der
Pförtner.
»Freut mich, das zu hören. Oh, wie ich sehe, ist der Ehrenwerte
Johann Blutgut unterwegs, um einen Auftrag auszuführen. Im Palast?«
»Na, na, Herr«, sagte Kastanie und winkte mit dem Zeigefinger. »Du
weißt doch, dass ich darüber keine Auskunft geben kann, selbst wenn
ich Bescheid wüsste.«
»Natürlich nicht.« Vetinari sah zur Rückwand des Büros, wo
Umschläge in einem Messingestell steckten. Ganz oben an dem Gestell
stand »Aktiv«.
»Guten Tag, Herr Kastanie.«
»‘n Tag, Herr. Gutes, äh, Auskundschaften.«
Der Pförtner sah dem jungen Mann nach, als er auf die Straße trat.
Dann ging er in das Kämmerchen neben dem Büro, um den Kessel
aufzusetzen.
Er mochte den jungen Vetinari, der still und lernbegierig war und, bei
manchen Gelegenheiten, recht großzügig sein konnte. Al erdings
erschien er ihm auch ein wenig seltsam. Einmal hatte Kastanie ihn im
Foyer dabei beobachtet, wie er ganz still stand. Mehr machte er nicht.
Er unternahm nicht den
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