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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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geringsten Versuch, sich zu verbergen. Nach
    einer halben Stunde war Kastanie zu ihm gegangen und hatte gefragt:
    »Kann ich dir helfen, Herr?«
    Und Vetinari hatte geantwortet: »Danke, nein, Herr Kastanie. Ich
    bringe mir nur bei, ganz still zu stehen.«
    Solch eine Antwort ließ keinen vernünftigen Kommentar zu. Nach
    einer Weile musste der junge Mann gegangen sein, denn Kastanie
    erinnerte sich nicht daran, ihn an dem Tag noch einmal gesehen zu
    haben.
    Er hörte ein Knarren aus dem Büro und blickte um die Ecke.
    Niemand war da.
    Als er den Tee kochte, glaubte er, nebenan ein Rascheln zu hören. Er
    sah im Büro nach und stellte fest, dass es völ ig leer war. Es schien
    sogar noch leerer zu sein als sonst, wenn sich einfach nur niemand
    darin aufhielt.
    Er kehrte zu dem Lehnsessel im Kämmerchen zurück und entspannte
    sich.
    Im Messinggestell rutschte der Briefumschlag mit der Aufschrift
    »Blutgut, J.« ein wenig zurück.

    Explosionen krachten, und zwar ziemlich viele. Feuerwerkskörper
    knal ten überal auf der Straße. Tambourine schlugen, und ein Horn
    schmetterte einen Ton, wie er in der Natur nicht vorkam. Mönche
    tanzten um die Ecke und sangen aus vollem Hals.
    Mumm sank auf die Knie und bemerkte Dutzende von Füßen in
    Sandalen, die an ihm vorbeisausten, und außerdem wehende
    schmutzige Umhänge. Rust rief den Tänzern, die lächelten und fröhlich
    winkten, etwas zu.
    Etwas Silbernes landete auf dem Boden.
    Und dann waren die Mönche fort, tanzten durch eine Gasse, riefen
    und drehten sich, schlugen dabei ihre Gongs aneinander…
    »Verdammte Heiden!«, schnaufte Rust und trat vor. »Hat dich etwas
    getroffen, Oberfeldwebel?«
    Mumm bückte sich und griff nach dem silbernen Rechteck.
    Ein Stein pral te von Rusts Brustharnisch ab. Als er sein Sprachrohr
    hob, traf ihn ein Kohlkopf am Knie.
    Mumm starrte auf das Objekt in seiner Hand. Es war ein
    Zigarrenetui, schmal und ein wenig gewölbt.
    Er öffnete es mit zitternden Fingern und las:

    Für Sam, in Liebe von deiner Sybil.

    Die Welt bewegte sich. Aber jetzt fühlte sich Mumm wie ein Schiff, das
    am Anker hing. Am anderen Ende der Leine sorgte der schwere Anker
    dafür, dass das Schiff den Bug in die Strömung drehte.
    Ein Hagel aus Wurfgeschossen flog über die Barrikade. Mit Dingen
    zu werfen war ein alter Brauch in Ankh-Morpork, und Rust hatte etwas,
    das ihn zum Ziel machte. Mit einem Rest von Würde hob er erneut sein
    Sprachrohr und kam so weit wie »Hiermit warne ich euch…«, bevor ein
    Stein es ihm aus der Hand schlug.
    »Na schön«, brummte er und marschierte steifbeinig zur Truppe
    zurück. »Oberfeldwebel Keel, befiehl den Männern, mit ihren
    Armbrüsten zu schießen. Eine Pfeilsalve, über die Barrikade hinweg.«
    »Nein«, sagte Mumm und stand auf.
    »Ich kann nur annehmen, dass du nicht richtig bei dir bist« sagte Rust.
    »Männer, bereitet euch darauf vor, meinen Befehl auszuführen.«
    »Der erste Mann, der schießt, wird von mir niedergeschlagen«, sagte
    Mumm. Er rief nicht. Er wies einfach nur darauf hin, was die Zukunft
    bringen würde.
    Rusts Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er musterte Mumm
    von Kopf bis Fuß.
    »Ist dies Meuterei?«, fragte der Hauptmann.
    »Nein. Ich bin kein Soldat, Herr. Daher kann ich auch nicht meutern.«
    »Das Kriegsrecht ist ausgerufen, Oberfeldwebel!«, erwiderte Rust
    scharf. »Ganz offiziel !«
    »Tatsächlich?«, fragte Mumm, als es erneut Steine und altes Gemüse
    regnete. »Die Schilde hoch, Jungs.«
    Rust wandte sich an Fred Colon. »Korporal, du wirst diesen Mann
    unter Arrest stellen!«
    Colon schluckte. »Ich?«
    »Ja, Korporal. Jetzt .«
    Weiße Flecken bildeten sich auf Colons rosarotem Gesicht, als das
    Blut daraus entwich. »Aber er…«, begann er.
    »Du willst nicht gehorchen? Dann muss ich das wohl selbst
    erledigen.« Der Hauptmann zog sein Schwert.
    Mumm vernahm ein leises Klicken, als eine Armbrust entsichert
    wurde. Er stöhnte innerlich und erinnerte sich nicht daran, dass dies
    geschehen war.
    »Bitte leg das Schwert weg, Herr«, sagte Gefreiter Mumm.
    »Du wirst nicht auf mich schießen, du junger Narr«, entgegnete der
    Hauptmann ruhig. »Das wäre Mord.«
    »Nicht dort, wohin ich ziele, Herr.«
    Meine Güte, dachte Mumm. Vielleicht war der Junge einfältig. Denn eins konnte man von Rust gewiss nicht behaupten: dass er feige war. Er
    verwechselte dumme Sturheit mit Mut und wäre auch vor zehn
    bewaffneten Männern nicht zurückgewichen.
    »Ah, ich glaube, ich

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