Die Nachtwächter
Tore nicht passieren konnten. Ganz gleich, wie es
um die Politik stand: Küken schlüpften aus Eiern; Milch wurde sauer;
Vieh musste in Pferchen untergebracht, mit Futter und Wasser versorgt
werden. Wo sollte all das geschehen? Würde sich das Militär darum
kümmern? Wie verhielten sich Soldaten und Offiziere, wenn die Karren
heranrollten und nicht umkehren konnten, weil hinter ihnen weitere
Karren kamen? Was würden die Truppen unternehmen, wenn überal
Schweine und Kühe herumliefen?
Dachten irgendwelche wichtigen Leute daran? Plötzlich geriet die
Maschine ins Stocken, doch Winder und seine Kumpane dachten nicht
an die Maschine, sondern an Geld. Essen und Trinken kamen von
Bediensteten; sie waren einfach da.
Vetinari dachte permanent an solche Dinge, begriff Mumm. Die Stadt
in der Zukunft war doppelt so groß und viermal so verwundbar.
Vetinari hätte nicht zugelassen, dass so etwas passierte. Kleine Räder
müssen sich drehen, damit sich die Maschine dreht, hätte er gesagt.
Und in der Dunkelheit drehte sich al es vor Mumm. Nimm Vetinari
fort, und al es bricht zusammen, dachte er. Die Maschine bricht
auseinander, und niemand bleibt davon verschont. Al es bricht
zusammen, und es zerbrechen auch die Leute in der Stadt.
Er hörte, wie hinter ihm ein Ablösetrupp durch die Heldenstraße
ging.
»… wie fliegen sie nach oben? Mit den Knien ! Mit den Knien ! Mit den Knien nach oben fliegen die kleinen Engel empor…«
Mumm spähte durch eine Lücke zwischen den Möbelstücken und
dachte über Freds Idee nach, die Barrikaden immer weiter nach vorn zu
schieben. War es möglich, sie wie ein Sieb zu benutzen, Straße für
Straße? Lasse die anständigen Leute passieren und schiebe die anderen
fort, die Mistkerle, die reichen Rüpel, die Abzocker, die Skrupel osen,
die das Schicksal anderer Personen manipulierten, die Blutsauger und
Kletten, die Arschkriecher und Höflinge und kriecherischen plumpen
Narren in teuren Klamotten, al jene Leute, die nichts von der Maschine
wussten oder sich nicht um sie scherten, aber ihre Schmiere stahlen.
Mumm stellte sich vor, sie immer weiter zu schieben und in einem
kleinen Bereich zusammenzudrängen. Viel eicht konnte man jeden
zweiten Tag Proviant über die Barrikaden werfen, die sie auf der
anderen Seite gefangen hielten. Oder man überließ sie sich selbst.
Sollten sie das tun, was sie immer getan hatten: auf Kosten anderer
leben.
Die dunklen Straßen waren still. Mumm fragte sich, was dort draußen
geschah. Und er überlegte, ob sich irgendjemand um die Maschine
kümmerte…
Major Sitzgut-Stehschnell starrte mit leeren Augen auf die verdammte
Karte.
»Wie viele?«, fragte er.
»Zweiunddreißig Verletzte«, antwortete Hauptmann Wrangel. »Und
zwanzig weitere Fälle von wahrscheinlicher Fahnenflucht. Und die
Große Marie ist nur noch als Feuerholz zu gebrauchen.«
»Bei den Göttern…«
»Willst du auch den Rest hören, Stefan?«
»Es gibt noch mehr?«
»Leider ja. Bevor die Reste der Großen Marie die Heldenstraße
verließen, schlug sie zwanzig Schaufenster ein und zertrümmerte
mehrere Wagen. Der geschätzte Sachschaden…«
»Kollateralschäden des Krieges. So was lässt sich leider nicht
vermeiden.«
»Nein, leider nicht.« Der Hauptmann hüstelte. »Möchtest du wissen,
was als Nächstes geschah, Stefan?«
»Es geschah noch etwas?«, fragte der Major.
»Äh… ja. Sogar eine ganze Menge. Äh. Die drei Tore, durch die die
meisten landwirtschaftlichen Produkte in die Stadt gelangen, wurden
auf deinen Befehl hin blockiert. Deshalb bringen die Fuhrleute und
Viehtreiber ihre Sachen über die Kurze Straße herein. Glücklicherweise
sind um diese Zeit in der Nacht nur wenige Tiere dabei, aber der Zug
bestand aus sechs Mül er-Wagen, einem Wagen mit getrockneten
Früchten und Gewürzen, vier Milchmann-Wagen und drei Eirer-
Karren. Sie wurden al e zerstört. Diese Ochsen waren sehr aggressiv.«
»Eirer? Was zum Teufel sind Eirer?«, fragte der Major verdutzt.
»Leute, die Eier verkaufen. Sie reisen von Bauernhof zu Bauernhof,
holen die Eier ab…«
»Ja, schon gut! Und was sollen wir jetzt machen?«
»Wir könnten einen großen Kuchen backen, Stefan.«
»Ich bitte dich, Thomas!«
»Entschuldigung. Aber das Leben in der Stadt geht weiter. Sie eignet
sich nicht als Schlachtfeld. Der beste Ort für den Straßenkampf ist
draußen auf dem Land, wo nichts in den Weg gerät.«
»Es ist eine verdammt große Barrikade,
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