Die Nachtwächter
meinen«. Meine Güte, haben wir auf diese
Weise unsere Kriege gewonnen?
Wie wäre ich mit dieser Sache fertig geworden? Ich hätte einfach nur
»Detritus, beseitige die Barrikade« gesagt, und zwar laut genug, so dass
die Verteidiger es gehört hätten. Dann wäre das Problem gelöst
gewesen.
Ein Schrei erklang auf der Barrikade. Ein Haken hatte einen der
Wächter getroffen und ihn fest gegen das Holz gezogen. Mumm
erreichte ihn und sah, wie die Metallspitze Brustharnisch und
Kettenhemd durchstoßen hatte. Ein Angreifer zog sich am Seil hoch…
Mit einer Hand blockierte Mumm den Schwertarm des Soldaten, mit
der anderen schlug er ihm ins Gesicht. Der Mann fiel in das
Durcheinander weiter unten.
Der verwundete Wächter war Nimmernich. Mumm sah sein
blauweißes Gesicht, den Mund, der sich lautlos öffnete und schloss.
Blut sammelte sich zu seinen Füßen und tropfte durch die Bretter.
»Ziehen wir das verdammte Ding heraus…«, sagte Wiggel und griff
nach dem Haken. Mumm stieß ihn zurück, als mehrere Pfeile über sie
hinwegschwirrten.
»Das könnte noch mehr Schaden anrichten. Ruf einige der Jungs herbei.
Bringt ihn vorsichtig nach unten und zu Rasen.« Mumm nahm
Nimmernichs Schlagstock und schmetterte ihn auf den Helm eines
weiteren Kletterers.
»Er atmet noch, Oberfeldwebel!«, sagte Wiggel.
»Gut«, erwiderte Mumm. Es war erstaunlich, wie viel Bereitschaft die
Leute zeigten, in der Leiche eines Freunds noch Leben zu erkennen.
»Also mach dich nützlich und bring ihn zum Doktor!« In Gedanken
fügte er hinzu wie jemand, der viele Verwundete gesehen hatte: Wenn
Rasen in der Lage ist, ihm zu helfen, kann er eine eigene Religion
gründen.
Ein glücklicher Angreifer schaffte es tatsächlich, an der Barrikade bis
ganz nach oben zu klettern, und dort musste er plötzlich feststel en,
dass er schrecklich allein war. Mit dem Mut der Verzweiflung schlug er
nach Mumm, der sich daraufhin wieder dem Kampf widmete.
Ankh-Morpork war gut darin und sogar immer besser geworden, ohne
dass jemand darüber sprach. Die Dinge geschahen nicht, sie flossen.
Manchmal musste man sehr genau hinsehen, um den Punkt des
Übergangs von »muss erst noch erledigt werden« zu »darum habe ich
mich bereits gekümmert, alter Knabe« zu erkennen. So ging das. Man
kümmerte sich um die Dinge.
Zwanzig Minuten nach dem Ableben von Lord Winder traf Herr
Schnappüber ein. Fünf Minuten später – und das schloss eine
Schweigeminute für Lord Winder ein, um dessen Leiche man sich
gekümmert hatte – war er als Patrizier vereidigt und auf magische Weise
zu Lord Schnappüber geworden, der im Rechteckigen Büro saß.
Einigen Bediensteten wurde nicht zu unfreundlich die Tür gewiesen,
und Schleckschlecht bekam ausreichend Zeit, seine Krötenzucht in al er
Ruhe zu entfernen. Doch diejenigen, die das Feuer im Kamin
anzündeten, Staub von den Möbeln wischten und fegten – sie blieben,
so wie sie auch zuvor geblieben waren, weil sie nur selten darauf
achteten und vielleicht nicht einmal wussten, wer gerade das Amt des
Patriziers bekleidete. Sie waren zu nützlich und wussten, wo die Besen
aufbewahrt wurden. Menschen kommen und gehen, aber Staub
sammelt sich immer an.
Und so begann ein neuer Tag. Von unten betrachtet, sah er genauso
aus wie die alten.
Nach einer Weile stellte jemand die Frage nach dem Kampf, um den
man sich zweifel os kümmern musste.
Überal entlang der Barrikade flammten Nahkämpfe auf, aber sie waren
eher einseitiger Natur. Die Angreifer setzten Sturmleitern ein, und an
einigen Stel en gelang es ihnen, die Brustwehr zu erklimmen. Aber es
waren immer zu wenige. Es gab viel mehr Verteidiger, und nicht al e
von ihnen trugen Waffen. Erstaunt nahm Mumm die natürliche
Rachsucht von Großmüttern zur Kenntnis, die nicht den geringsten
Sinn für Fairness hatten, wenn es darum ging, gegen Soldaten zu
kämpfen. Gib einer Oma einen Speer und ein Loch, durch das sie damit
stoßen kann – und al e jungen Männer auf der anderen Seite gerieten in
große Schwierigkeiten. Und dann hatte Reg Schuh die gute Idee, Steaks
als Waffe zu verwenden. Die Angreifer stammten nicht aus Familien,
wo Steaks sehr häufig auf dem Teller lagen. Fleisch war in den meisten
Fäl en das Gewürz, nicht die Mahlzeit. Nun geschah es immer häufiger,
dass Soldaten in der Dunkelheit hochkletterten, begleitet vom Stöhnen
und Ächzen derjenigen weiter unten, und am Ende der Leitern von gut
genährten
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