Die Nachtwächter
fragte Sam, der unten neben der Leiter stand.
»Es ergibt ebenso viel Sinn wie al es andere«, erwiderte Mumm. »Es
sind Leute aus der Stadt, genau wie wir. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie die falschen Befehle bekommen haben.« Und es bringt in ihren Köpfen
al es durcheinander, dachte er. Sie fragen sich, warum dies al es
geschehen ist…
»Aber… Nimmernich ist tot, Oberfeldwebel.«
Mumm atmete tief durch. Er hatte es gewusst, dort oben auf dem
wackligen Wehrgang, aber es laut zu hören war trotzdem ein Schock.
»Ich schätze, es gibt auch einige Soldaten, die den Morgen nicht
überleben werden«, sagte er.
»Ja, aber sie waren der Feind, Oberfeldwebel.«
»Es lohnt sich immer, darüber nachzudenken, wer der Feind ist«,
sagte Mumm und zog an der Barrikade.
»Zum Beispiel ein Mann, der versucht, einem sein Schwert in den
Leib zu stoßen?«, fragte Sam.
»Das ist ein guter Anfang«, erwiderte Mumm. »Aber manchmal sol te
man seine Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf einen Punkt
konzentrieren.«
Im Rechteckigen Büro presste Lord Schnappüber die Hände
aneinander und klopfte mit den Zeigefingern gegen seine Zähne.
Ziemlich viele Papiere lagen vor ihm.
»Was tun, was tun«, sagte er nachdenklich.
»Normalerweise gibt es eine Amnestie, Euer Exzel enz«, meinte Herr
Schräg. Als Oberhaupt der Anwaltsgilde hatte Herr Schräg viele
Patrizier beraten. Er war ein Zombie, was seiner beruflichen Laufbahn
keineswegs zum Nachteil gereichte. Er war ein lebender Präzedenzfal
und wusste, wie die Dinge laufen sol ten.
»Ja, natürlich«, sagte Schnappüber. »Ein sauberer Anfang. Natürlich.
Zweifellos gibt es traditionelle Worte.«
»Ja, Exzel enz. Ich habe den Text hier…«
»Ja, ja. Erzählt mir von der Barrikade! Von der, die standgehalten hat.«
Er sah zu den anderen Personen im Büro.
»Du weißt davon, Herr?«, fragte Fol ett.
»Ich habe meine Informanten«, erwiderte Schnappüber. »Hat für
ziemlich viel Unruhe gesorgt. Irgendein Bursche hat eine recht gute
Verteidigungsgruppe zusammengestel t, uns von den wichtigen
Bereichen der Stadt abgeschnitten, Hauptmann Schwungs Organisation
zerschlagen und allen Angriffen der Soldaten getrotzt. Ein
Oberfeldwebel, wie ich hörte.«
»Darf ich eine Beförderung vorschlagen?«, warf Madame ein.
»Genau daran habe ich gedacht«, entgegnete Lord Schnappüber. Seine kleinen Augen leuchteten. »Und seine Männer sind loyal, nicht wahr?«
»Al em Anschein nach, Herr«, sagte Madame und wechselte einen
verwunderten Blick mit Doktor Follett.
Schnappüber seufzte. »Andererseits… Man kann Soldaten kaum
bestrafen, wenn sie ihren Vorgesetzten gehorchten, vor al em in so
schwierigen Zeiten. Es gibt also keinen Grund, offizielle Maßnahmen
gegen sie zu ergreifen.«
Wieder trafen sich Blicke. Die Welt schien davonzugleiten.
»Aber das gilt nicht für Keel«, fuhr Schnappüber fort. Er stand auf
und holte eine Schnupftabaksdose aus der Westentasche. »Denkt
darüber nach! Welcher Herrscher könnte die Existenz eines solchen
Mannes tolerieren? In einigen wenigen Tagen hat er al das geschafft?
Mir graut bei der Vorstellung, was er sich für morgen vornehmen
könnte. Dies sind schwierige Zeiten. Dürfen wir riskieren, den Launen
eines Oberfeldwebels ausgeliefert zu sein? Es geht nicht an, dass
jemand wie Keel seinen Wil en durchsetzt. Außerdem hätten uns die Unaussprechlichen durchaus von Nutzen sein können. Natürlich nach
einer angemessenen Umerziehung.«
»Eben hast du bemerkt, du hättest an Keels Beförderung gedacht«,
sagte Doktor Fol ett offen.
Lord Schnappüber nahm eine Prise Schnupftabak und blinzelte ein-
oder zweimal. »Ja«, bestätigte er. »Befördert ihn ins Jenseits, wie es so
schön heißt.«
Stille herrschte im Büro. Nur einige wenige Anwesende waren
entsetzt, andere beeindruckt. Man blieb in Ankh-Morpork nicht ganz
oben, ohne das Leben aus einem pragmatischen Blickwinkel zu
betrachten, und das schien Lord Schnappüber lobenswert schnel
begriffen zu haben.
»Die Barrikade wird beseitigt?«, fragte der neue Patrizier und klappte
die Schnupftabaksdose zu.
»Ja, Euer Exzel enz«, sagte Doktor Fol ett. »Wegen der al gemeinen
Amnestie«, fügte er hinzu, um das Wort noch einmal zu wiederholen.
Die Assassinengilde hatte nicht nur Regeln, sondern auch einen
Ehrenkodex. Er war alt und so konstruiert, dass er den Interessen der
Gilde gerecht wurde, aber er pochte tatsächlich auf eine gewisse Ehre.
Man
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