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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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über den Butler
    hinweg und wölbte die Hände zu einem Trichter vor dem Mund.
    »Frau Zufrieden? Sybil?«, rief er und fühlte, wie der Schrecken in ihm
    Knoten bildete.
    »Ja?«, kam eine Stimme aus dem Zimmer, das Mumm immer
    »scheußlicher rosaroter Salon« genannt hatte. Sybil trat in den Flur. Es
    war Sybil. Die Stimme stimmte, und das galt auch für Augen und
    Haltung. Aber das Alter stimmte nicht. Dies war ein Mädchen, viel zu jung für Sybil…
    Sie sah von Mumm zu dem Butler auf dem Boden. »Hast du Forsythe
    niedergeschlagen?«, fragte sie.
    »Ich… äh… ich… es… es war ein Versehen«, stotterte Mumm und
    wich zurück. Sybil nahm ein Schwert von der Wand, das nicht al ein der
    Zierde diente. Mumm wusste nicht, ob seine Frau jemals gelernt hatte,
    mit einer solchen Waffe umzugehen, aber eine rund einen Meter lange
    scharfe Klinge wirkt bedrohlich genug, wenn sie von einem zornigen
    Amateur geschwungen wird. Manchmal haben Amateure Glück.
    Mumm wich hastig zurück. »Ein Versehen«, wiederholte er. »Das
    falsche Haus… eine Verwechslung…« Er stolperte fast über den am
    Boden liegenden Butler und verwandelte das Taumeln in einen Lauf,
    der ihn durch die Tür hinunterbrachte.
    Nasse Blätter strichen über ihn hinweg, als er an den Sträuchern
    vorbei zum Tor wankte. Dort lehnte er sich an die Mauer und
    schnappte nach Luft.
    Die verdammte Bibliothek! Hatte er nicht schon einmal gehört, dass
    man dort durch die Zeit gehen konnte? All die vielen magischen Bücher
    zusammengepresst… Das ergab Seltsames.
    Sybil war so jung gewesen. Sie hatte wie sechzehn ausgesehen! Kein
    Wunder, dass es am Pseudopolisplatz kein Wachhaus gab! Es war erst
    vor einigen Jahren eingerichtet worden!
    Regenwasser durchdrang die billige Kleidung. Zu Hause…
    irgendwo… wartete ein großer Ledermantel auf ihn, gut geölt, herrlich
    warm…
    Denk nach, denk nach! Gib dich nicht dem Schrecken hin…
    Sollte er versuchen, mit Sybil zu reden und ihr alles zu erklären?
    Immerhin war sie Sybil. Nett zu durchnässten Geschöpfen. Doch selbst
    ein besonders weiches Herz mochte sich erhärten, wenn ein grober,
    verzweifelter Mann mit einer frischen Narbe und Kleidung
    hereinplatzte und behauptete, der zukünftige Gemahl zu sein. Eine
    junge Frau konnte so etwas falsch verstehen, und das wollte er
    vermeiden, solange sie ein Schwert in der Hand hielt. Außerdem lebte
    Lord Käsedick vermutlich noch, und er war ein blutrünstiger alter
    Teufel gewesen, soweit Mumm wusste.
    Er sackte an der Mauer in sich zusammen und griff in die Tasche, um
    eine Zigarre hervorzuholen. Erneut zitterte das Entsetzen in ihm.
    Die Tasche enthielt nichts. Überhaupt nichts. Weder Schnaufkrauts
    Dünne Panatel as noch ein Etui…
    Das Etui war eine Sonderanfertigung für ihn gewesen. Es war leicht
    gewölbt und steckte in seiner Tasche, seit Sybil es ihm geschenkt hatte.
    Es war so sehr Teil von ihm, wie ein Ding Teil eines Menschen sein konnte.
    »Wir sind hier, und dies ist jetzt.« Obergefreiter Besuch, ein strenger
    Gläubiger der omnianischen Religion, deklamierte manchmal dieses
    Zitat aus seinem heiligen Buch. In die weniger hochtrabende
    Polizistensprache übersetzt bedeutete es Mumms Meinung nach:
    Kümmere dich um das, was du vor dir siehst.
    Ich bin hier, dachte Mumm. Und dies ist jetzt. Weniger bewusste
    Teile seines Gehirns fügten hinzu: Hier hast du keine Freunde. Kein
    Zuhause. Keine Aufgabe. Hier bist du al ein.
    Nein, nicht allein, sagte ein Teil, der noch viel tiefer in ihm steckte als der Schrecken und immer Wache hielt.
    Jemand beobachtete ihn.
    Eine Gestalt löste sich aus den feuchten Schatten der Straße und
    näherte sich. Das Gesicht konnte Mumm nicht erkennen, aber das war
    auch gar nicht nötig. Er wusste, dass es das spezielle Lächeln eines
    Raubtiers lächelte, das sein Opfer unter der Pranke weiß und außerdem
    weiß, dass auch das Opfer darüber Bescheid weiß, ein Opfer, das
    verzweifelt versuchen wird, sich so zu verhalten, als führten sie ein ganz
    normales, freundliches Gespräch, denn es wünscht sich nichts
    sehnlicher als das…
    Du möchtest hier nicht sterben , sagte der tiefe, dunkle Teil von
    Mumms Seele.
    »Hast du ein Streichholz?«, fragte das Raubtier. Es machte sich nicht
    einmal die Mühe, eine Zigarette zu zeigen.
    »Oh, natürlich«, sagte Mumm. Er gab vor, auf seine Taschen klopfen
    zu wollen, doch stattdessen wirbelte er herum, streckte den Arm aus
    und traf den heranschleichenden Mann am Ohr.

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