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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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mehr«, sagte der angebliche Hunde-
    Freund. »Es war die einzige Ausgabe, und die Gravierplatten sind
    eingeschmolzen.«
    »Ärgerst du dich nie, Hunde-Freund?«
    »O doch, Witwenmacher«, sagte der Leser. Er schob den Stuhl zurück
    und stand auf. »Ich glaube, ich gehe heute Abend früh zu Bett.« Er
    nickte dem Tisch zu. »Guten Abend, Witwenmacher, meine Herren…«
    »Du bist ein Blödmann, Vetinari.«
    »Wie du meinst, Witwenmacher.«

    Mumm dachte besser, wenn sich seine Füße bewegten. Die körperliche
    Aktivität beruhigte ihn und ordnete seine Gedanken. Abgesehen von
    der Ausgangssperre und dem Bewachen der Tore gab es für die
    Nachtwache nicht viel zu tun. Das lag vor allem daran, dass sie aus
    inkompetenten Leuten bestand, von denen niemand Tüchtigkeit
    erwartete. Die Polizisten der Nachtwache gingen langsam Streife, gaben
    al en Leuten gefährlich genug Zeit, fortzuschlendern oder mit den
    Schatten zu verschmelzen, läuteten dann die Glocke und teilten der
    schlafenden Welt – beziehungsweise einer Welt, die bis eben geschlafen
    hatte – mit, dass al es gut war, obwohl es gar nicht danach aussah.
    Außerdem trieben sie die ruhigeren Betrunkenen und besonders sanftes
    Vieh zusammen.
    Sie halten mich für Winders Spion, dachte Mumm. Sie glauben, meine
    Aufgabe bestünde darin, die Wache der Sirupminenstraße
    auszuspionieren. Genausogut könnte man einen Spion auf Hefeteig
    ansetzen.
    Mumm verzichtete ganz bewusst auf eine Glocke. Der junge Sam
    hatte sich inzwischen eine leichtere besorgt, den Klöppel al erdings mit
    einem Staubtuch umhül t – ganz nach Mumms ausdrücklichem
    Wunsch.
    »Rollt der Wagen heute Abend los, Oberfeldwebel?«, fragte Sam, als
    das Zwielicht der Nacht wich.
    »Ja. Colon und Keule brechen damit auf.«
    »Und sie bringen Leute zur Ankertaugasse?«
    »Nein«, sagte Mumm. »Ich habe sie angewiesen, al e zum Wachhaus
    zu bringen. Schnauzi wird ihnen jeweils einen halben Dollar abnehmen
    und ihre Namen aufschreiben. Vielleicht machen wir eine Verlosung.«
    »Wir könnten Schwierigkeiten bekommen, Oberfeldwebel.«
    »Die Ausgangssperre dient nur dazu, die Leute abzuschrecken. Sie
    bedeutet nicht viel.«
    »Meine Mutter meinte, dass al e eine Stimme in der Stadt haben, wenn
    Schnappüber erst Patrizier ist«, fuhr Sam fort.
    »Nicht so laut, Junge.«
    »Der Tag wird kommen, an dem sich die zornigen Massen erheben
    und von ihrem Jochen befreien, meint der Fischhändler«, sagte Sam.
    Würde ich wirklich für Schwung spionieren, wäre der Fischhändler so
    gut wie tot, dachte Mumm. Eine ziemliche Revolutionärin, unsere
    Mutter.
    Er fragte sich, ob es überhaupt möglich war, diesen jungen Narren die
    Grundlagen der Politik zu lehren. Das war schon immer der Traum.
    »Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, was ich heute weiß.« Aber
    wenn man älter wurde, begriff man, dass man heute ein anderer war als damals. Das frühere Selbst war ein dummer Narr. Das frühere Selbst hatte ganz am Anfang des steinigen Weges gestanden, der zum heutigen
    Selbst führte, und ein Teil des Weges bestand darin, ein dummer Narr
    zu sein.
    Ein viel besserer Traum, der ruhigen Schlaf bescherte, war der, heute
    nicht zu wissen, was man damals nicht gewusst hatte.
    »Was macht dein Vater?«, fragte Mumm, als ob er es nicht wüsste.
    »Er starb vor langer Zeit, Oberfeldwebel«, antwortete Sam. »Als ich
    klein war. Er geriet unter einen Karren, als er die Straße überquerte, hat
    meine Mutter erzählt.«
    Und sie war auch eine meisterhafte Lügnerin.
    »Tut mir Leid, das zu hören«, sagte Mumm.
    »Äh, meine Mutter meint, du wärst abends zum Tee wil kommen, wo
    du doch allein in der fremden Stadt bist, Oberfeldwebel.«
    »Möchtest du einen weiteren Rat von mir, Junge?«
    »Ja, Oberfeldwebel. Ich lerne viel.«
    »Gefreiten laden ihren Oberfeldwebel nicht zum Tee ein. Frag mich
    nicht nach dem Grund. Es ist eben so.«
    »Du kennst meine Mutter nicht, Oberfeldwebel.«
    Mumm hüstelte. »Mütter sind Mütter, Gefreiter. Sie sehen nicht gern
    Männer, die al ein zurechtkommen. Sie fürchten, es könnte abfärben.«
    Außerdem weiß ich, dass sie seit zehn Jahren mit den Geringen
    Göttern zu tun hat. Eher würde ich die Hand auf den Tisch legen und
    Schwung den Hammer geben, als heute durch die
    Unbesonnenheitsstraße zu gehen.
    »Nun«, sagte Sam, »sie will Kummervollen Pudding für dich machen,
    Oberfeldwebel. Meine Mutter macht wirklich guten Kummervollen
    Pudding.«
    Den besten, dachte Mumm und

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