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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Taschentuch ins Licht. »Dunkelgrün«,
    sagte die Frau. »Seltsam. Soweit ich weiß, hast du bei der Prüfung in
    heimlichem Bewegen null Punkte erzielt.«
    »Darf ich fragen, wie du das herausgefunden hast, Madame?«
    »Oh, man hört das eine oder andere«, erwiderte Madame. »Man muss
    sich nur Geld ans Ohr halten.«
    »Nun, es stimmt«, sagte der Assassine.
    »Und warum?«
    »Der Prüfer glaubte, ich hätte Tricks angewandt, Madame.«
    »Und hast du das?«
    »Natürlich. Ich dachte, genau darum ginge es.«
    »Und er meint, du hättest nie seinen Unterricht besucht.«
    »Oh, ich bin immer da gewesen und habe sehr aufmerksam zugehört.«
    »Er meint, er hätte dich nie gesehen.«
    Havelock lächelte. »Und das bedeutet, Madame…?«
    Madame lachte. »Möchtest du ein Glas Sekt?« Ein leises Klirren
    deutete darauf hin, dass sich eine Flasche in einem Eiskübel bewegte.
    »Danke, nein, Madame.«
    »Wie du meinst. Ich genehmige mir eins. Und nun… Bitte erstatte mir
    Bericht.«
    »Ich kann kaum glauben, was ich gesehen habe. Ich hielt den
    Burschen zunächst für einen Schläger. Und das ist er auch. Man kann
    sehen, wie die Muskeln für ihn denken. Aber er gewinnt immer die
    Oberhand über sie! Ich glaube, ich habe ein Genie beobachtet, aber…«
    »Was?«
    »Er ist nur ein Feldwebel, Madame.«
    »Oberfeldwebel. Unterschätze ihn nicht. Ein sehr nützlicher Rang für
    den richtigen Mann. Die optimale Balance zwischen Macht und
    Verantwortung. Übrigens heißt es, dass er die Straße durch die Sohlen
    seiner Stiefel erkennen kann, und deshalb ist er darauf bedacht, dass sie
    dünn bleiben.«
    »Hm. Das Pflaster ist überall unterschiedlich, das stimmt, aber…«
    »Du bist immer so ernst mit diesen Dingen, Havelock. Ganz anders
    als dein verstorbener Vater. Denk… mythologisch. Er kann die Straße
    erkennen. Er hört ihre Stimme, misst ihre Temperatur und liest ihre Gedanken. Sie spricht durch seine Stiefel zu ihm. Polizisten sind
    genauso abergläubisch wie andere Leute. Heute Nacht sind al e anderen
    Wachhäuser angegriffen worden. Schwungs Leute haben es
    angestachelt, aber Bosheit und Dummheit haben den größten Schaden
    angerichtet. Doch nicht in der Sirupminenstraße. Keel öffnete die
    Türen und ließ die Straße herein. Ich wünschte, ich wüsste mehr über
    ihn. In Pseudopolis galt er als langsam, nachdenklich und vernünftig.
    Hier scheint er regelrecht aufgeblüht zu sein.«
    »Ich habe einen Mann inhumiert, der versuchte, ihn aus dem
    Hinterhalt zu erledigen.«
    »Tatsächlich? Das klingt nicht nach Schwung. Wie viel schulde ich
    dir?«
    Der junge Mann namens Havelock zuckte mit den Schultern. »Einen
    Dol ar«, sagte er.
    »Das ist sehr wenig.«
    »Der Bursche war nicht mehr wert. Aber ich muss dich warnen.
    Vielleicht möchtest du bald, dass ich mich um Keel kümmere.«
    »Jemand wie er schlägt sich bestimmt nicht auf die Seite von Winder
    und Schwung.«
    »Er ist seine eigene Seite. Er ist eine Komplikation. Vielleicht wäre es
    besser, wenn er… aufhört, die Dinge zu verkomplizieren.«
    Das Rumpeln der Kutsche unterstrich die Stille, die diesen Worten
    folgte. Die Fahrt ging jetzt durch einen wohlhabenderen Teil der Stadt,
    der heller erleuchtet war und wo man die für arme Leute bestimmte
    Ausgangssperre nicht so streng beachtete. Die dem Assassinen
    gegenüber sitzende Frau streichelte die Katze auf ihrem Schoß.
    »Nein«, sagte Madame. »Er wird nützlich sein. Al e erzählen mir von
    Keel. In einer Welt, in der wir uns in Kurven bewegen, schreitet er auf
    einer geraden Linie voran. Und wer in einer Welt aus Kurven geradeaus
    geht, lässt Dinge geschehen.«
    Erneut streichelte sie die leise schnurrende Katze. Sie war rötlich gelb
    und wirkte erstaunlich selbstgefällig, obwohl sie sich gelegentlich am
    Halsband kratzte.
    »Eine andere Sache…«, sagte die Frau. »Was ist mit dem Buch? Ich
    möchte kein Aufsehen erregen.«
    »Oh, es war sehr selten und behandelte die Kunst der
    Unauffälligkeit.«
    »Der dumme Junge hat es verbrannt!«
    »Ja. Zum Glück. Ich dachte schon, er würde das Buch lesen.«
    Havelock lächelte dünn. »Allerdings hätte ihm bei den längeren Worten
    jemand helfen müssen.«
    »War es wertvoll?«
    »Unbezahlbar. Besonders jetzt, nachdem es verbrannt ist.«
    »Ah. Es enthielt wichtige Informationen. Vermutlich auch über die
    dunkelgrüne Farbe. Erzählst du mir davon?«
    »Ich könnte dir davon erzählen.« Havelock lächelte erneut. »Aber dann müsste ich

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