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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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    viele Freunde haben.« Sie trank ihren Becher aus. »Doktor Fol ett ist ein
    sehr reizender Mann, findest du nicht? Weißt du zufälligerweise, ob er
    sein eigenes Haar trägt?«
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit, das herauszufinden«, sagte
    Havelock. »Versucht er, dich betrunken zu machen?«
    »Ja«, erwiderte Madame. »Man muss ihn bewundern.«
    »Es heißt, er kann recht gemein sein«, sagte Havelock.
    »Interessant«, entgegnete Madame.
    Sie ließ ein offenes, ehrliches Lächeln auf ihren Lippen erscheinen
    und öffnete die große Doppeltür auf der anderen Seite des Zimmers.
    »Ah, Doktor«, sagte sie und trat in den Dunst aus Zigarrenrauch. »Noch
    etwas Sekt?«

    Mumm schlief in einer Ecke, im Stehen. Ein alter Trick, den
    Angehörige der Nachtwache und Pferde beherrschten. Es war kein
    echter Schlaf – man riskierte den Tod, wenn man mehrere Nächte
    hintereinander damit auszukommen versuchte –, aber es vertrieb einen
    Teil der Müdigkeit.
    Einige der anderen Männer hatten den Trick bereits gelernt. Andere
    benutzten Tische oder Sitzbänke. Niemand schien nach Hause gehen
    zu wol en, nicht einmal dann, als das Licht der Morgendämmerung
    durch den Regen glitt und Schnauzi mit grässlichem Brei hereinkam.
    Mumm öffnete die Augen.
    »Ein Becher Tee, Chef?«, fragte Schnauzi. »Eine Stunde gekocht und
    mit zwei Würfeln Zucker.«
    »Du bist ein Lebensretter, Schnauzi«, sagte Mumm und griff nach
    dem Becher, als enthielte er ein Lebenselixier.
    »Und draußen ist ein Junge, der dich, hnah, persönlich sprechen
    möchte«, fügte Schnauzi hinzu. »Soll ich ihm einen Satz rote Ohren
    verpassen?«
    »Wie riecht er?«, fragte Mumm und nippte an dem heißen, ätzenden
    Tee.
    »Wie der Boden eines Paviankäfigs, Chef.«
    »Ah, Nobby Nobbs. Ich gehe nach draußen und rede mit ihm. Bring
    ihm einen großen Tel er Brei.«
    Unbehagen schlich in Schnauzis Miene. »Wenn ich dir, hnah, einen
    Rat geben darf, Chef: Es zahlt sich nicht aus, solche Burschen zu
    ermutigen…«
    »Siehst du diese Streifen, Schnauzi? Bravo. Einen großen Tel er.«
    Mumm trat mit seinem Tee auf den feuchten Hof, wo Nobby an der
    Mauer lehnte.
    Es gab Anzeichen dafür, dass ein sonniger Tag bevorstand. Nach dem
    Regen der Nacht sol te manches wachsen, zum Beispiel der Flieder…
    »Was ist los, Nobby?«
    Nobby zögerte kurz, um festzustellen, ob eine Münze erschien. »Es
    sieht überal ziemlich schlecht aus«, sagte er und gab es zunächst auf,
    ohne die Hoffnung zu verlieren. »Im Hohen Schlag kam ein Gefreiter
    ums Leben. Wurde von einem geworfenen Stein getroffen, heißt es. Bei
    dem Kampf beim Schlummerhügel wurden jemandem die Ohren
    abgeschnitten. Kaval eristen griffen an. Überal Aufruhr. Die
    Wachhäuser bekamen den Zorn der Leute zu spüren…«
    Mumm hörte bedrückt zu. Es war die übliche blutige Angelegenheit.
    Zornige und ängstliche Leute auf beiden Seiten, von den Umständen
    zusammengedrängt. Die Dinge spitzten sich zu. Der Schlummerhügel
    und die Tol en Schwestern waren bereits Kriegsgebiete.
    … nach oben fliegen die kleinen Engel, nach oben empor…
    »Ist in der Ankertaugasse was passiert?«, fragte Mumm.
    »Nicht viel«, erwiderte Nobby. »Nur einige wenige Leute fanden sich
    dort ein, riefen etwas und liefen weg.«
    »Verstehe«, brummte Mumm. So dumm war nicht einmal der Pöbel.
    Bisher beschränkte sich die Sache noch auf junge Leute, Hitzköpfe und
    Betrunkene, aber bestimmt wurde es bald schlimmer. Für einen Angriff
    auf die Unaussprechlichen musste man geradezu außer sich sein vor
    Zorn.
    »Überal geschehen üble Dinge«, fuhr Nobby fort. »Nur hier nicht.
    Wir sind von al dem nicht betroffen.«
    Noch nicht, dachte Mumm. Aber vermutlich finden wir uns bald im
    Zentrum der Entwicklung wieder.
    Schnauzi kam durch die Hintertür des Wachhauses und trug einen
    großen Teller mit Haferflockenbrei, in dem ein Löffel steckte. Mumm
    nickte Nobby zu, und der Teller wurde mit sichtlichem Widerstreben
    übergeben.
    »Chef?«, fragte Schnauzi und behielt den Löffel im Auge, als Nobby
    den Brei verschlang.
    »Ja, Schnauzi?«
    »Haben wir irgendwelche Befehle ?«
    »Ich weiß nicht. Ist der Hauptmann da?«
    »Komische Sache, Chef«, sagte Schnauzi. »Letzten Abend kam ein
    Kurier mit einem Umschlag für den Hauptmann, und ich brachte ihn
    nach oben, und dort wartete der Hauptmann, und da dachte ich,
    komische Sache, haha, dachte ich, normalerweise ist er nicht so früh
    da…«
    »Schneller, Schnauzi«, sagte

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