Die Nachtwächter
Mumm, als der Mann wieder den
oszillierenden Löffel beobachtete.
»Nun, als ich ihm später seinen Kakao brachte, saß er einfach nur da,
hnah, und starrte ins Leere. Aber er sagte ›Danke, Schnauzi‹, als ich ihm
den Kakao reichte, hnah. In dieser Hinsicht ist er immer sehr, hnah,
freundlich. Doch als ich eben nach oben ging, war er nicht mehr da.«
»Er ist alt, Schnauzi. Man kann nicht von ihm erwarten, dass er die
ganze Zeit hier ist…«
»Und sein Tintenfass ist ebenfal s weg. Er hat es noch nie mit nach
Hause genommen.«
Mumm bemerkte, dass Schnauzis Augen noch roter waren als sonst.
Er seufzte. »Irgendeine Spur von dem Umschlag?«
»Nein, Chef«, erwiderte Schnauzi und sah erneut zu dem Löffel in
Nobbys Hand. Es war ein einfacher, billiger Blechlöffel, stellte Mumm
fest.
»In dem Fal wahren wir einfach den Frieden, Schnauzi«, sagte er.
»Davon gibt es nicht mehr viel, Chef.«
»Mal sehen, ob wir welchen finden. Komm mit.«
Schnauzi zögerte. »Ich möchte den Löffel im Auge behalten, Chef,
wir haben nur noch fünf davon, und solche Burschen klauen al es…«
»Er kann den verdammten Löffel behalten !«, donnerte Mumm. »Löffel
sind derzeit nicht wichtig!«
Nobby schaufelte den Rest in sich hinein, ließ den Löffel in der
Hosentasche verschwinden, streckte Schnauzi seine von Haferbrei
belegte Zunge raus, ließ den Teller fallen und stob davon.
Mumm kehrte ins Wachhaus zurück, griff nach der Schöpfkel e und
schlug sie gegen die Innenseiten des leeren Kessels. Köpfe sahen auf.
»Al e herhören! Hier sind neue Anweisungen für euch! Alle
verheirateten Männer haben die Erlaubnis, für eine Stunde nach Hause
zu gehen und ihren Frauen zu sagen, dass sie unbesorgt sein sollen! Die
anderen machen unbezahlte Überstunden! Ist jemand überrascht?«
Wiggel hob die Hand. »Wir al e haben Familie, Oberfeldwebel«, sagte
er.
»Und wenn ihr euren Familien helfen wollt, dann sorgt hier für Recht
und Ordnung«, erwiderte Mumm. »Wir wissen nicht, was bei den
anderen Wachhäusern los ist, aber was auch immer dort passiert – es
klingt nicht gut. Dieses Haus bleibt offen, klar? Tag und Nacht. Ja,
Gefreiter Mumm?«
»Aber meine Mutter ist bestimmt sehr beunruhigt, Oberfeldwebel«,
sagte der junge Sam.
Mumm zögerte, aber nur kurz. »Wenn du ihr etwas schreiben
möchtest – Schnauzi flitzt damit los. Das gilt auch für die anderen. Wir
gehen bald wieder auf Streife. Ja, ich weiß, dass wir die Nachtwache
sind. Na und? Mir scheint, derzeit sieht’s dort draußen ziemlich finster
aus! Gefreiter, komm mit auf den Hof.«
Mumm verließ das Wachhaus und trat in den Morgen.
Rein theoretisch diente der Hof auch zur Ausbildung, aber für diesen
Zweck wurde er nur selten gebraucht. Die Nachtwache nutzte jede
Gelegenheit, Gewalt zu vermeiden. Wenn Drohungen oder
zahlenmäßige Überlegenheit versagten, ergriff man besser die Flucht.
Im Schuppen gab es einige vermodernde Zielscheiben und
Strohpuppen für Übungen mit dem Schwert. Mumm zog sie aufs
Pflaster, als der junge Sam hinter ihm erschien.
»Du hast doch gesagt, die Dinger seien unnütz, Oberfeldwebel.«
»Das sind sie auch«, sagte Mumm. »Ich habe sie hierher gelegt, damit
du auf etwas Weiches fällst. Sam, du bist mit einer Waffe unterwegs,
mit der du nicht umgehen kannst. Das ist noch schlimmer, als ohne
eine Waffe unterwegs zu sein, mit der du umgehen kannst. Ein Mann
mit einer Waffe, mit der er nicht umgehen kann, riskiert, dass man sie
ihm dorthin steckt, wo die Sonne nicht scheint.«
Er nahm Brustharnisch und Helm ab und warf den Schwertgürtel in
eine Ecke.
»Na schön, greif mich an«, sagte Mumm. Aus dem Augenwinkel sah
er, dass einige der Männer auf den Hof gekommen waren und das
Geschehen beobachteten.
»Aber ich kann dich doch nicht mit dem Schwert erschlagen!«,
entfuhr es Sam.
»Nein, aber du sol st es versuchen.«
Sam zögerte erneut. Ich bin kein völliger Dummkopf gewesen, dachte Mumm.
»Du lächelst, Oberfeldwebel.«
»Und?«
»Du lächelst und stehst einfach nur da, Oberfeldwebel«, sagte Sam.
»Ich weiß, dass mich Dresche erwartet, denn du hast kein Schwert und
lächelst.«
»Hast du Angst davor, dein Schwert mit Blut zu beflecken, Junge? Na
schön, wirf es weg. Fühlst du dich jetzt besser? Du warst Mitglied einer
Bande, nicht wahr? Natürlich warst du das. Jeder Junge ist irgendwann
Mitglied einer Bande. Und du lebst. Was bedeutet, dass du zu kämpfen
gelernt
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