Die Nachtwächter
zum Stehen.
Mit einer geübten Bewegung durchschnitt der Gnom den Strick, mit dem das mobile Semaphor befestigt war, und sprang dann in den Kompost aus Efeulaub und alten Rabennestern, der auf dem Turm eine Art Teppich bildete.
Der Reiher beobachtete ihn mit großäugiger Dummheit. Knuddel hatte ihn auf die übliche Weise der Gnome gezähmt: Man malte sich grün an, wartete im Sumpf und quakte; wenn dann ein Reiher kam, um einen zu fressen, lief man über seinen Schnabel nach oben und gab dem Vogel eins auf die Rübe. Bis er wieder zu sich kam, hatte man ihm das spezielle Öl – Knuddel war einen ganzen Tag lang mit der Herstellung beschäftigt gewesen, und der Gestank hatte alle Wächter aus dem Wachhaus vertrieben – in die Nasenlöcher gepustet, und dann sah der Vogel einen an und glaubte, seine Mutter zu sehen.
Ein Reiher war nützlich, denn er konnte Ausrüstung tragen. Für Verkehrspatrouillen zog Knuddel einen Sperber vor, weil er besser über einer Stelle kreisen konnte.
Er ließ die Arme des tragbaren Semaphors an dem Pfahl einrasten, den er hier vor einigen Wochen vorbereitet hatte, zog dann ein winziges Fernrohr aus der Satteltasche des Reihers, band es an die steinerne Kante und blickte fast senkrecht in die Tiefe. Knuddel mochte solche Momente. Nur bei diesen Gelegenheiten waren alle anderen kleiner als er selbst.
»Nun… mal sehen, was wir sehen können«, brummte er.
Er sah die Universitätsgebäude. Er sah den Uhrturm des Alten Tom und die unverkennbare Masse von Feldwebel Detritus, der zwischen den nahen Schornsteinen kletterte. Das gelbe Licht des heranziehenden Unwetters spiegelte sich auf den Helmen der Wächter wider, die tief unten durch die Straßen eilten. Und dort, geduckt hinter einer Brüstung…
»Na bitte«, sagte Knuddel leise und streckte die Hand nach den Griffen des Semaphors aus.
»D…T…R…T…S Stop N…W…T Stop L…T…R Stop T…M«, sagte Grinsi.
Mumm nickte. Detritus befand sich auf dem Dach unweit des Alten Tom. Und Detritus trug eine Belagerungsarmbrust, die nicht einmal drei Männer hätten heben können und die so umgebaut war, dass sie ein ganzes Pfeilbündel abfeuerte. Die an dem Vorgang beteiligten Kräfte ließen die Pfeile meistens in der Luft zerbrechen, was dazu führte, dass das Ziel von einer sich ausdehnenden Wolke aus brennenden Splittern getroffen wurde. Mumm hatte verboten, diese Waffe gegen Personen einzusetzen, aber sie bot eine ausgezeichnete Möglichkeit, in ein Gebäude zu gelangen. Man konnte damit Vorder- und Hintertür gleichzeitig öffnen.
»Er soll einen Warnschuss abgeben«, sagte Mumm. »Wenn er Carcer mit dem Ding trifft, finden wir nicht einmal seine Leiche.« Und es gefiele mir sehr, seine Leiche zu finden, dachte er.
»Ja, Herr.« Grinsi zog zwei weiße Signalarme hinter dem Gürtel hervor, wandte sich dem Kunstturm zu und winkte eine kurze Nachricht. Der ferne Knuddel schickte eine Antwort.
»D…T…R…T…S Stop W…R…N…S…H…S…S«, murmelte Grinsi, als sie den Rest der Mitteilung winkte.
Wieder kam eine kurze Bestätigung zurück. Dann stieg eine rote Rakete vom Turm auf und explodierte, was alle aufmerksam werden ließ. Mumm beobachtete, wie die Mitteilung weitergegeben wurde.
Überall bei den Universitätsgebäuden gingen Wächter in Deckung. Sie wussten, was Detritus’ Armbrust anrichten konnte.
Der Troll brauchte einige Sekunden, um die Buchstabenkombination zu verstehen. Dann ertönte in der Ferne ein dumpfes Pochen, gefolgt von einem Geräusch, das nach dem Summen höllischer Bienen klang, und
dann
krachte es. Dachziegel und Mauerwerk barsten. Trümmerstücke regneten auf den Hiergibt’salles-Platz hinab. Ein ganzer Schornstein, komplett mit einer kräuselnden Rauchfahne, knallte nur wenige Meter neben Mumm auf die Straße.
Das Prasseln von Mörtel- und Holzstücken schloss sich an, gefolgt von einem sanften Schauer aus Taubenfedern.
Mumm schüttelte den Staub von seinem Helm. »Ja, ich schätze, jetzt ist er gewarnt«, sagte er.
Ein halber Wetterhahn landete neben dem Schornstein.
Grinsi blies einige Federn von ihrem Fernrohr und richtete es auf den Kunstturm. »Knuddel teilt mit, dass er sich jetzt nicht mehr bewegt, Herr«, berichtete sie.
»Tatsächlich? Was für eine Überraschung.« Mumm rückte seinen Gürtel zurecht. »Und jetzt kannst du mir deine Armbrust geben. Ich gehe nach oben.«
»Herr, du hast gesagt, dass niemand versuchen soll, ihn zu verhaften! Deshalb habe ich dir die
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