Die Nachtwächter
Gnaden?«
Mumm bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick.
»Ja«,
erwiderte er. »Denn wenn ich mich nicht auf den Weg mache, wird irgendein armer Kerl versuchen, den Mistkerl zu
verhaften.
Das lernen die Wächter in der Ausbildung.« Er wandte sich an Karotte. »Gib die Meldung sofort weiter, Hauptmann! Winksprüche über die Nachrichtentürme, Tauben, Kuriere, alles.
Jeder
soll diesem Ruf folgen. Aber niemand – ich wiederhole:
niemand
–
soll versuchen, ihn ohne die Hilfe vieler anderer Wächter gefangen zu nehmen! Verstanden? Und Knuddel Winzig soll losfliegen! Oh, verdammt…«
»Was ist, Herr?«, fragte Karotte.
»Die Nachricht stammt von Kleinpo. Sie hat die Mitteilung direkt hierher geschickt. Was macht sie dort draußen? Sie gehört zur forensischen Abteilung, nicht zu den Streifen! Meine Güte, sie wird versuchen, sich an die Vorschriften zu halten!«
»Sollte sie das nicht?«, fragte Vetinari.
»Nein. Carcer braucht einen Pfeil ins Bein, nur um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Man muss zuerst schießen…«
»Und später Fragen stellen?«, vermutete Vetinari.
Mumm zögerte kurz an der Tür. »Es gibt nichts, das ich ihn fragen möchte.«
Auf dem Hiergibt’salles-Platz musste Mumm seinen Schritt verlangsamen, um wieder zu Atem zu kommen, und darüber ärgerte er sich sehr. Vor einigen Jahren wäre er gerade erst richtig in Schwung gekommen! Doch das über die Ebene heranziehende Gewitter trieb die Hitze vor sich her, und es geziemte sich nicht für den Kommandeur, keuchend am Ort des Geschehens einzutreffen. Als er hinter einer Marktbude innehielt und nach Luft schnappte, musste er feststellen, dass er nicht einmal genug Atem für einen längeren Satz hatte.
Zu seiner großen Erleichterung wartete eine völlig unverletzte Grinsi Kleinpo an der Universitätsmauer auf ihn. Sie salutierte. »Zur Stelle, Herr«, sagte sie.
»Mm«, erwiderte Mumm.
»Ich habe zwei Trolle bei der Verkehrskontrolle bemerkt und sie zur Wasserbrücke geschickt, Herr«, sagte Korporal Kleinpo. »Dann erschien Feldwebel Detritus, und ich habe ihn aufgefordert… ihn
gebeten,
das Universitätsgelände durchs Haupttor zu betreten und einen hohen Ort aufzusuchen. Als Feldwebel Colon und Nobby eintrafen, habe ich sie zur Größenbrücke gesandt…«
»Warum?«, fragte Mumm.
»Weil ich bezweifle, dass er sich in diese Richtung wenden wird«, erwiderte Grinsi, wobei ihr Gesicht ein sorgfältiges Bild der Unschuld zeigte. Mumm musste sich darauf konzentrieren, mit dem Nicken aufzuhören. »Es kamen immer mehr Wächter, und ich habe sie aufgefordert, den ganzen Bereich zu umstellen. Wie dem auch sei: Ich glaube, er ist irgendwo dort oben und bleibt dort.«
»Warum?«
»Wie soll er sich den Weg durch einen ganzen Haufen Zauberer freikämpfen, Herr? Seine beste Chance besteht darin, über die Dächer zu klettern und an irgendeinem ruhigen Ort auf den Boden zurückzukehren. Dort oben gibt es viele Verstecke, und er könnte es bis zur Pfirsichblütenstraße schaffen, ohne herunterzukommen.«
Forensische Abteilung, dachte Mumm. Ha! Und mit ein bisschen Glück weiß der Bursche nichts von Knuddel.
»Gut überlegt«, sagte er.
»Danke, Herr. Hättest du etwas dagegen, näher an die Mauer heranzutreten, Herr?«
»Warum?«
Etwas schlug auf das Pflaster auf. Von einem Augenblick zum anderen stand Mumm flach an die Mauer gepresst.
»Er hat eine Armbrust, Herr«, sagte Grinsi. »Wir glauben, sie stammt von Starkimarm. Aber er kann nicht besonders gut damit umgehen.«
»Ausgezeichnet, Korporal«, sagte Mumm schwach. »Gute Arbeit.« Er sah zum Platz zurück. Wind zerrte an den Markisen der Marktbuden. Die Verkäufer bedeckten ihre Waren und blickten gelegentlich zum Himmel empor.
»Wir können ihn nicht einfach dort oben lassen«, fuhr er fort. »Wenn er aufs Geratewohl schießt, wird er früher oder später jemanden treffen.«
»Warum sollte er aufs Geratewohl schießen, Herr?«
»Carcer braucht keinen Grund«, sagte Mumm. »Er braucht nur einen Vorwand.« Eine Bewegung weckte seine Aufmerksamkeit, und er lächelte.
Ein großer Vogel stieg über der Stadt auf.
Der Reiher brummte klagend und versuchte, in weiten Kreisen an Höhe zu gewinnen. Die Stadt drehte sich unter Korporal Knuddel Winzig, als er die Knie noch fester an den Leib des Vogels presste und ihn mit dem Wind fliegen ließ. Kurze Zeit später landete der Reiher auf dem Kunstturm, dem höchsten Gebäude der Stadt, und kam nach einigen torkelnden Schritten
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