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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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meinte Herr Schräg. Als Oberhaupt der Anwaltsgilde hatte Herr Schräg viele Patrizier beraten. Er war ein Zombie, was seiner beruflichen Laufbahn keineswegs zum Nachteil gereichte. Er war ein lebender Präzedenzfall und wusste, wie die Dinge laufen sollten.
    »Ja, natürlich«, sagte Schnappüber. »Ein sauberer Anfang. Natürlich. Zweifellos gibt es traditionelle Worte.«
    »Ja, Exzellenz. Ich habe den Text hier…«
    »Ja, ja. Erzählt mir von der Barrikade! Von der, die standgehalten hat.« Er sah zu den anderen Personen im Büro.
    »Du weißt davon, Herr?«, fragte Follett.
    »Ich
habe
meine Informanten«, erwiderte Schnappüber. »Hat für ziemlich viel Unruhe gesorgt. Irgendein Bursche hat eine recht gute Verteidigungsgruppe zusammengestellt, uns von den wichtigen Bereichen der Stadt abgeschnitten, Hauptmann Schwungs Organisation zerschlagen und allen Angriffen der Soldaten getrotzt. Ein Oberfeldwebel, wie ich hörte.«
    »Darf ich eine Beförderung vorschlagen?«, warf Madame ein.
    »Genau
daran
habe ich gedacht«, entgegnete Lord Schnappüber. Seine kleinen Augen leuchteten. »Und seine Männer sind loyal, nicht wahr?«
    »Allem Anschein nach, Herr«, sagte Madame und wechselte einen verwunderten Blick mit Doktor Follett.
    Schnappüber seufzte. »Andererseits… Man kann Soldaten kaum bestrafen, wenn sie ihren Vorgesetzten gehorchten, vor allem in so schwierigen Zeiten. Es gibt also keinen Grund, offizielle Maßnahmen gegen sie zu ergreifen.«
    Wieder trafen sich Blicke. Die Welt schien davonzugleiten.
    »Aber das gilt nicht für Keel«, fuhr Schnappüber fort. Er stand auf und holte eine Schnupftabaksdose aus der Westentasche. »Denkt darüber nach! Welcher Herrscher könnte die Existenz eines solchen Mannes tolerieren? In einigen wenigen Tagen hat er all das geschafft? Mir graut bei der Vorstellung, was er sich für morgen vornehmen könnte. Dies sind schwierige Zeiten. Dürfen wir riskieren, den Launen eines Oberfeldwebels ausgeliefert zu sein? Es geht nicht an, dass jemand wie Keel
seinen
Willen durchsetzt. Außerdem hätten uns die Unaussprechlichen durchaus von Nutzen sein können. Natürlich nach einer angemessenen Umerziehung.«
    »Eben hast du bemerkt, du hättest an Keels Beförderung gedacht«, sagte Doktor Follett offen.
    Lord Schnappüber nahm eine Prise Schnupftabak und blinzelte ein- oder zweimal. »Ja«, bestätigte er. »Befördert ihn ins Jenseits, wie es so schön heißt.«
    Stille herrschte im Büro. Nur einige wenige Anwesende waren entsetzt, andere beeindruckt. Man blieb in Ankh-Morpork nicht ganz oben, ohne das Leben aus einem pragmatischen Blickwinkel zu betrachten, und das schien Lord Schnappüber lobenswert schnell begriffen zu haben.
    »Die Barrikade wird beseitigt?«, fragte der neue Patrizier und klappte die Schnupftabaksdose zu.
    »Ja, Euer Exzellenz«, sagte Doktor Follett. »Wegen der allgemeinen Amnestie«, fügte er hinzu, um das Wort noch einmal zu wiederholen. Die Assassinengilde hatte nicht nur Regeln, sondern auch einen Ehrenkodex. Er war alt und so konstruiert, dass er den Interessen der Gilde gerecht wurde, aber er pochte tatsächlich auf eine gewisse Ehre. Man brachte weder Schutzlose noch Bedienstete um. Man trat der zu inhumierenden Person direkt gegenüber. Und man hielt sein Wort. Dies hier gehörte sich nicht.
    »Prächtig«, sagte Schnappüber. »Genau die richtige Zeit. Die Straßen voller Leute. Allgemeines Durcheinander. Unbelehrbare Elemente. Eine wichtige Nachricht, die nicht rechtzeitig weitergeleitet wurde. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Schwierige Situationen. Alles sehr bedauerlich. Nein, mein lieber Doktor, ich trete nicht mit einem entsprechenden Ersuchen an deine Gilde heran. Zum Glück gibt es Personen, deren Loyalität der Stadt gegenüber weniger… unverbindlich ist. Und jetzt, wenn ich bitten darf – es gibt viel zu tun. Wir sehen uns später wieder.«
    Follett und die anderen wurden mit höflichem Nachdruck hinauskomplimentiert. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
    »Offenbar stehen wir wieder am Anfang«, sagte das Oberhaupt der Assassinengilde, als sie durch den Flur schritten.
    »Ave! Duci novo, similis duci seneci«, murmelte Herr Schräg so trocken, wie es nur einem Zombie möglich war. »Oder wie wir in der Schule sagten: ›Ave! Bossa nova, similis bossa seneca!‹« Er lachte schulmeisterlich. In toten Sprachen fühlte er sich zu Hause. »Grammatikalisch ist das natürlich völlig…«
    »Was bedeutet das?«, fragte

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