Die Nachtwächter
vielleicht auch nicht.
»Ja, mach dich nur darüber lustig«, sagte Reg und blickte zu Boden. »Alle halten es für einen Witz.«
»Ich weiß nicht, ob es dir hilft, Reg, aber ich habe nicht einmal mein hart gekochtes Ei bekommen«, sagte Mumm.
»Und was passiert jetzt?«, fragte Reg. Er war viel zu sehr auf sein eigenes Elend konzentriert, um Anteil zu nehmen oder überhaupt etwas anderes zu bemerken.
»All die kleinen Engel fliegen nach oben, nach oben…«
»Keine Ahnung. Ich schätze, für eine Weile wird’s besser. Aber ich weiß nicht, was ich…«
Mumm unterbrach sich. Auf der anderen Straßenseite fegte ein kleiner, verhutzelter Alter Staub vor einer Tür, ohne auf den Verkehr zu achten.
Mumm stand auf und starrte hinüber. Der kleine Mann sah ihn und winkte. Genau in diesem Augenblick rumpelte ein weiterer mit Möbeln von der Barrikade beladener Karren über die Straße.
Mumm warf sich aufs Pflaster, um unter dem Wagen hindurch zur anderen Straßenseite zu sehen. Die ein wenig krummen Beine und die ausgetretenen Sandalen waren noch da. Sie blieben da, als der Karren nicht mehr die Sicht versperrte, und sie blieben da, als Mumm über die Straße lief, und vielleicht wären sie dageblieben, wenn der nächste Wagen Mumm nicht fast überfahren hätte, und sie waren nicht mehr da, als er sich aufrichtete.
Er stand dort, wo er sie gesehen hatte, am Rand der verkehrsreichen Straße, am sonnigen Morgen, und er spürte, wie die Nacht über ihn hinwegstrich. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Die Gespräche um ihn herum wurden lauter, schwollen zu einem regelrechten Lärm an. Und das Licht war zu hell. Es gab keine Schatten mehr, und danach suchte er jetzt, nach Schatten.
Mumm eilte über die Straße, wich dabei diversen Hindernissen aus, näherte sich den Singenden und brachte sie mit einem Wink zum Schweigen.
»Macht euch bereit«, knurrte er. »Etwas wird geschehen…«
»Was denn, Oberfeldwebel?«, fragte Sam.
»Nichts Gutes, fürchte ich. Vielleicht ein Angriff.« Mumm blickte über die Straße und hielt Ausschau…
wonach
? Kleinen alten Männern mit Besen? Die Szene wirkte noch weniger bedrohlich als vorher, wenn das überhaupt möglich war. Die Leute standen nicht mehr herum und warteten darauf, dass etwas geschah. Sie nahmen das Geschehen selbst in die Hand: Überall herrschte rege Betriebsamkeit und führte zum typischen Chaos von Ankh-Morpork.
»Nichts für ungut, Oberfeldwebel«, sagte Dickins, »aber für mich sieht alles friedlich aus. Es gibt eine Amnestie, Oberfeldwebel. Niemand kämpft mehr gegen irgendjemanden.«
»Oberfeldwebel! Oberfeldwebel!«
Alle drehten sich um. Nobby Nobbs huschte im
Zickzack
über die Straße. Sein Mund bewegte sich, aber wie auch immer die Nachricht lautete, mit der der Junge heraneilte – sie verlor sich im Grunzen und Quieken einer Wagenladung Schweine.
Gefreiter Sam Mumm sah das Gesicht des Oberfeldwebels. »Etwas geht nicht mit rechten Dingen zu«, sagte er. »Seht euch nur den Oberfeldwebel an!«
»Was soll denn los sein?«, fragte Fred Colon. »Rechnest du vielleicht damit, dass ein großer Vogel oder so vom Himmel fällt?« Etwas pochte dumpf, und Wiggel ächzte. Ein Pfeil hatte ihn in den Brustharnisch getroffen und ihn durchschlagen.
Ein zweiter schlug über Mumms Kopf in die Wand. Staub rieselte herab.
»Hier hinein!«, rief er. Die Tür des Ladens hinter ihnen stand offen, und er sprang hindurch. Andere Personen folgten seinem Beispiel. Pfeile surrten draußen; Schreie erklangen.
»Welche Amnestie meinst du, Feldwebel?«, fragte Mumm. Die Wagen und Karren auf der Straße kamen zum Stehen, ließen weniger Licht durch die Butzenscheibenfenster fallen und schirmten den Laden ab.
»Es müssen irgendwelche Idioten sein«, sagte Dickins. »Vielleicht Rebellen.«
»Warum? Es gab nie so viele Rebellen.
Wir
wissen das! Außerdem haben sie den Sieg errungen.« Jenseits der Karren ertönten Rufe. Nichts blockierte die Straße so gut wie ein schwerer Wagen…
»Konterrevolutionäre?«, spekulierte Dickins.
»Leute, die Winder wieder an die Macht bringen wollen?«, fragte Mumm. »Ich weiß nicht, wie du dazu stehst, aber
ich
würde mich ihnen anschließen.« Er sah sich im Laden um – er war voller Menschen. »Was machen all die Leute hier?«
»Du hast ›Hier hinein!‹ gerufen«, sagte ein Soldat.
»Ja, und wir brauchten keine Extraeinladung, weil es Pfeile regnete«, fügte ein anderer Soldat hinzu.
»Ich wollte gar nicht hierher, konnte
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