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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Verkehr in Ankh-Morpork ein Körper gewesen wäre, hätte er einen Infarkt erlitten. Feldwebel Colon drückte es so aus: »Man kommt nicht mehr voran, weil alle anderen vorankommen wollen.« Was durchaus den Kern der Sache traf.
    Einige Wächter halfen beim Abbau der Barrikade, hauptsächlich deshalb, um bei den vielen Streitereien über Eigentumsrechte einzugreifen. Doch eine Gruppe von ihnen hatte sich am Ende der Heldenstraße eingefunden, wo Schnauzi Kakao ausschenkte. Eigentlich gab es nicht viel zu tun. Vor einigen Stunden hatten sie gekämpft, und jetzt herrschte auf den Straßen solches Gedränge, dass nicht einmal Streifengänge möglich waren. Jeder gute Polizist wusste, dass es manchmal besser war, niemandem im Weg zu sein, und die Konversation drehte sich um die üblichen Fragen, die auf einen Sieg folgen: 1) Gibt es mehr Geld? 2) Bekommen wir Medaillen? 3) Geraten wir deswegen in Schwierigkeiten? Diese letzte Frage lag in den Überlegungen eines Wächters stets auf der Lauer.
    »Eine Amnestie bedeutet, dass wir nichts zu befürchten haben«, sagte Dickins. »Sie bedeutet, alle tun so, als wäre gar nichts geschehen.«
    »Na schön«, brummte Wiggel. »Bekommen wir Medaillen? Ich meine, wenn wir…« Er konzentrierte sich. »… cou-ra-schierte Verteidiger der Freiheit gewesen sind – das klingt ganz nach Medaillen, wenn ihr mich fragt.«
    »Ich schätze, wir hätten einfach die ganze Stadt verbarrikadieren sollen«, sagte Colon.
    »Ja, Fred«, erwiderte Schnauzi. »Aber dann wären die bösen Buben, hnah, bei uns gewesen.«
    »Mag sein«, räumte Fred ein. »Aber wir hätten das Sagen gehabt.«
    Feldwebel Dickins paffte seine Pfeife. »Ihr quasselt nur, Jungs. Es war Krieg, und hier sitzt ihr, mit allen euren Armen und Beinen, im Sonnenschein der Götter. Das bedeutet es zu siegen. Ihr habt gesiegt, kapiert? Der Rest ist nur Zugabe.«
    Eine Zeit lang schwiegen die Wächter, und dann sagte der junge Sam: »Aber Nimmernich hat nicht gesiegt.«
    »Wir haben insgesamt fünf Männer verloren«, sagte Dickins. »Zwei wurden von Pfeilen getroffen. Einer ist von der Barrikade gefallen, und ein anderer hat sich versehentlich selbst die Kehle durchgeschnitten. So was passiert.«
    Die anderen starrten ihn groß an.
    »Oh, das überrascht euch?«, fragte Dickins. »Viele aufgebrachte Leute an einem Ort, scharfkantige Waffen, Gedränge – unter solchen Voraussetzungen
muss
es zu Zwischenfällen kommen. Ihr würdet euch über die Verluste wundern, zu denen es selbst fünfzig Meilen vom Feind entfernt kommen kann. Menschen sterben.«
    »Hatte Nimmernich eine Mutter?«, fragte Sam.
    »Er wuchs bei seiner Oma auf, aber die ist tot«, sagte Wiggel.
    »Gibt es keine Verwandten?«
    »Weiß nicht«, erwiderte Wiggel. »Er hat nie darüber geredet. War ohnehin recht schweigsam.«
    »Macht eine Sammlung!«, sagte Dickins mit fester Stimme. »Für Kranz, Sarg und so weiter. Überlasst das niemand anderem! Und noch etwas…«
    Mumm saß ein wenig abseits und beobachtete die Straße. Überall standen Gruppen aus früheren Verteidigern, Veteranen und Wächtern. Er sah, wie jemand eine Pastete von Schnapper kaufte, schüttelte den Kopf und lächelte. An einem Tag, an dem man kostenlos ein Steak mit Zwiebeln und Kartoffeln bekommen konnte, gab es jemanden, der von Schnapper eine Pastete kaufte. Es war ein Triumph des Verkaufsgeschicks und der berühmten verkümmerten Geschmacksknospen der Stadt.
    Das Lied begann. Mumm wusste nicht, ob es ein Requiem oder ein Siegeslied war, aber Dickins hob damit an, und die anderen stimmten ein. Jeder Mann sang, als wäre er allein.
    »…
All die kleinen Engel fliegen nach oben
…« Das Lied breitete sich aus.
    Auch Reg Schuh saß allein auf einem bisher noch nicht umkämpften Stück der Barrikade. Er hielt nach wie vor die Fahne umklammert und wirkte so niedergeschlagen, dass Mumm beschloss, zu ihm zu gehen und mit ihm zu reden.
    »…
Wie fliegen sie nach oben, nach oben, wie fliegen sie nach oben empor?«
    »Es hätte wirklich so sein können, Oberfeldwebel«, sagte Reg und sah auf. »Ja, das hätte es. Eine Stadt, in der man frei atmen kann.«
    »…
mit dem HINTERN nach oben, mit dem Hintern, mit dem Hintern nach oben fliegen die kleinen Engel empor

«
    »Du meinst wohl frei keuchen, Reg«, sagte Mumm und nahm neben ihm Platz. »Dies ist Ankh-Morpork.« Alle singen den gleichen Vers, obwohl es so viele gibt, dachte der Teil von Mumm, der mit einem Ohr zuhörte. Seltsam. Oder

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