Die Nachtwächter
Dunkelheit zu wissen, aber die beiden dunklen Gestalten, die aus der Finsternis eines Türeingangs ins Licht der Fackeln traten, hätten ihn überrascht.
Die Kutschentür schwang auf.
»Seltsame Neuigkeiten, verehrte Dame«, sagte einer der Schatten.
»Sehr seltsame Neuigkeiten, Schätzchen«, sagte der andere Schatten.
Sie stiegen ein, und die Kutsche rollte davon.
Mumm war beeindruckt von der Art, wie die Männer beim Wachhaus reagierten, ohne dass er Anweisungen erteilte. Wiggel und Skutts sprangen sofort zu Boden, als der Wagen den Hof erreichte, und zogen das Tor zu.
Im Innern des Gebäudes schlossen Colon und Keule die Fensterläden. Keule eilte zur Waffenkammer und kehrte mit Armbrüsten zurück. Alles geschah recht schnell und mit einem für die beteiligten Männer erstaunlich hohen Maß an Präzision.
Mumm wandte sich an sein jüngeres Selbst. »Bitte kümmere dich um den Kakao, Junge«, sagte er. »Ich möchte nichts versäumen.«
Er setzte sich und legte die Füße auf den Schreibtisch, als Colon die Tür abschloss und Keule den Riegel vorschob.
Dies passiert, dachte Mumm. Obgleich es vorher nicht geschehen war. Zumindest nicht genau auf diese Weise. Diesmal gelang den Verschwörern der Morphischen Straße die Flucht. Sie wurden nicht von den Unaussprechlichen überrascht. Es gab keinen Kampf. Der Anblick so vieler Polizisten muss ihnen einen enormen Schrecken eingejagt haben. Es waren ohnehin nur wenige, Sprücheklopfer und Drückeberger und Mitläufer, Leute, die sich hinter dem armen Irren zusammendrängen, der das Wort führt, »Ja, genau!« rufen und sofort wegrennen, wenn’s ernst wird. Bei der Razzia waren einige Personen gestorben und andere entkommen, und eins hatte wie üblich zum anderen geführt. Aber diesmal gab es keine Razzia, weil ein dämlicher Oberfeldwebel zu viel Lärm gemacht hatte…
Zwei verschiedene Gegenwarten. Die eine Vergangenheit, die andere Zukunft…
Ich weiß nicht, was als Nächstes geschehen wird.
Allerdings kann ich mir das eine oder andere denken.
»Gut gemacht, Jungs«, sagte Mumm und stand auf. »Ihr sorgt weiter dafür, dass wir hier drin in der Falle sitzen, und ich gebe dem Alten Bescheid…«
Er hörte das verwirrte Murmeln hinter sich, als er die Treppe hinaufging.
Hauptmann Tilden saß an seinem Schreibtisch und starrte an die Wand. Mumm hustete laut und salutierte.
»Wir hatten da eine kleine…«, begann er und unterbrach sich, als Tilden ihm ein aschfahles Gesicht zuwandte. Er schien ein Gespenst gesehen zu haben, und zwar im Spiegel.
»Hast du die Neuigkeiten gehört?«
»Herr?«
»Der Tumult bei den Tollen Schwestern«, sagte Tilden. »Vor nur zwei Stunden.«
Es ist alles zu nahe, dachte Mumm, als er verstand. Er kannte die Namen der Dinge, aber jetzt füllten sie sich plötzlich mit Bedeutung. Und alles schien gleichzeitig zu geschehen. Die Tollen Schwestern. Dort hatten sich einige Hitzköpfe versammelt…
»Der Leutnant der Tagwache hat eins der Regimenter um Hilfe ersucht«, sagte Tilden. »Wozu er natürlich berechtigt war.«
»Welches?«, fragte Mumm, obwohl er Bescheid wusste. Der Name stand in den Geschichtsbüchern.
»Lord Venturis Mittlere Dragoner, Oberfeldwebel. Mein altes Regiment.«
Stimmt, dachte Mumm. Und die Kavallerie ist natürlich
bestens
dafür geeignet, eine Menge ziviler Fußgänger unter Kontrolle zu bringen. Das weiß jeder…
»Und, äh, es kam zu einigen bedauerlichen Todesfällen…«
Tilden tat Mumm leid. Es konnte nie ein Beweis dafür erbracht werden, dass jemand den Befehl erteilt hatte, die Leute niederzureiten, aber spielte das eine Rolle? Nach vorn drängende Pferde, Leute, die nicht ausweichen konnten, weil hinter ihnen noch mehr Leute standen… So leicht konnten kleine Kinder da die Hand des Vaters oder der Mutter verlieren…
»Aber um der Gerechtigkeit willen muss man sagen, dass es die Soldaten mit Wurfgeschossen zu tun bekamen, und einer von ihnen wurde schwer verletzt«, fügte Tilden hinzu, als läse er die Worte von einem Zettel.
Und dann ist natürlich alles in Ordnung, dachte Mumm. »Was für Wurfgeschosse, Herr?«
»Obst, wie ich hörte. Es könnten auch einige Steine dabei gewesen sein.« Mumm stellte fest, dass Tildens Hand zitterte. »Soweit ich weiß, war der Brotpreis der Grund für den Aufruhr.«
Nein. Bei einem
Protest
geht es um den Brotpreis, sagte Mumms innere Stimme. Zu einem
Aufruhr
kommt es, wenn Leute in Panik geraten, die zwischen Idioten auf Pferden und anderen
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