Die Nachtwächter
verstecken.
»Äh… wir haben das Läuten gehört«, sagte er.
»Wir waren nur ein bisschen ausgelassen«, meinte Carcer. »Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Wir sind doch alle Polizisten. Ich möchte nicht, dass es irgendwelche Probleme gibt. Hier liegt nur ein kleines Missverständnis vor, das ist alles. Oberfeldwebel Keel wollte mir gerade meinen Freund übergeben. Und nichts für ungut! Du bist nur zufällig in einen Einsatz von uns geraten. Am besten sprechen wir nicht mehr darüber. Überlass mir den Mann, und wir sind quitt.«
Alle Blicke richteten sich auf Mumm.
Es wäre vernünftig gewesen, den Mann tatsächlich zu übergeben. Das wusste er. Vielleicht wäre Carcer dann wirklich fortgegangen, und Mumm wollte unter allen Umständen vermeiden, dass er dem jungen Sam noch näher kam.
Aber selbst wenn Carcer ging – er würde zurückkehren. Leute wie Carcer kehrten immer zurück, besonders wenn sie glaubten, eine Schwäche entdeckt zu haben.
Und das war noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war: Er, Mumm, hatte den Lauf der Ereignisse verändert.
Es
hatte
eine »Verschwörung der Morphischen Straße« gegeben. Und es hatte dort eine Razzia der Unaussprechlichen gegeben. Viele hatten den Tod gefunden, aber einige waren entkommen. Es folgten einige Tage mit schrecklichem Durcheinander, und dann…
Aber Sam Mumm war in jener Nacht nicht einmal in der Nähe der Morphischen Straße gewesen. Keel hatte ihn das Klinkenputzen auf der anderen Seite der Schatten gelehrt.
Aber du wolltest
schlau
sein, Herzog. Du wolltest jemandem einen Knüppel zwischen die Beine werfen und den einen oder anderen verdreschen.
Und jetzt ist auch Carcer mit dabei, und du bist außerhalb der Geschichtsbücher unterwegs, ohne eine Karte…
Carcer zeigte noch immer sein fröhliches Lächeln, und derzeit war es Mumms größter Wunsch, diesem Lächeln ein Ende zu setzen.
»Ich würde dir deinen Wunsch gern erfüllen,
Chef
«, sagte er. »Ja, das würde ich gern. Aber ich habe diesen Burschen verhaftet, deshalb muss ich ihn zur Wache bringen und den Papierkram erledigen. Vielleicht kann er uns bei den Ermittlungen in einigen noch ungelösten Fällen helfen.«
»Zum Beispiel?«, fragte Carcer.
»Keine Ahnung«, sagte Mumm. »Kommt darauf an, was wir haben. Wir bringen ihn in einer Zelle unter, geben ihm eine Tasse Tee, plaudern mit ihm über dies und das…
Du
weißt ja, wie das ist. Nach einer Tasse Tee kann ein Mann recht gesprächig werden. Oder nach einem kohlensäurehaltigen Getränk seiner Wahl.«
Ein Kichern kam von den anwesenden Angehörigen der Nachtwache. Mumm hoffte, dass niemand von ihnen wusste, was die letzten Worte bedeuteten.
Carcers Lächeln löste sich auf. »Ich habe gesagt, dass er einer meiner Männer ist, der im Einsatz war, und ich bin Feldwebel«, sagte er.
»Und ich bin Oberfeldwebel, und
ich
habe gesagt, dass wir ihn zur Wache bringen, Feldwebel Carcer. Ganz offiziell.«
Carcer nickte in Richtung des jungen Gefreiten, so unmerklich, dass nur Mumm es sah. Und er senkte die Stimme.
»Aber jetzt halte ich alle Trümpfe in der Hand, Herzog«, sagte er.
»Aber jetzt spiele ich keine Karten mehr, Carcer. Wir könnten es hier zum Krach kommen lassen, und wer weiß, wie er ausginge? Aber eins steht fest: Morgen wärst du kein Feldwebel mehr. Und wenn du glaubst, alle Trümpfe in der Hand zu haben, dann kannst du es dir leisten, den Einsatz zu erhöhen.«
Ein oder zwei Sekunden starrte Carcer ihn groß an. Dann zwinkerte er und drehte sich halb um.
»Ich habe ja gesagt, dass man sich vor ihm in Acht nehmen muss«, wandte er sich ans Publikum. Er gab Mumm einen verschwörerischen Rippenstoß. »Musst immer ausprobieren, wie weit du gehen kannst! Na schön, Oberfeldwebel. Du sollst deinen Willen haben. Wäre schade, wenn ihr Nachtnarren ganz mit leeren Händen dasteht. Haha. In einer Stunde oder so lasse ich ihn abholen.«
Ja, richtig, gib mir Zeit, zu schwitzen und mich zu fragen, ob ich einfach aufhöre zu existieren, wenn du dem Jungen die Kehle durchschneidest, dachte Mumm. Das Dumme ist, ich schwitze tatsächlich.
Er straffte sich und deutete zum Gefangenenwagen. »Ich bringe ihn
zusammen mit meinen Jungs
zurück«, sagte er. »Es ist Zeit für unsere Kakaopause, verstehst du? Hilf mir, Keule! Hast du noch andere Passagiere, Fred?«
»Nur einen Betrunkenen, Oberfeldwebel. Hat dauernd gekotzt.«
»Na schön. Wir legen den Gefangenen hinten rein und halten uns außen fest.«
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