Die Nachtwächter
und…«
Oben ertönte ein Schrei.
»Und wenn du nach oben gehst, findest du vermutlich jemanden, der durchs Dachfenster geklettert und auf eine Spindtür voller Nägel gefallen ist, die dort zufälligerweise lag«, fuhr Mumm fort. Er bemerkte die Verwirrung in Klopfs Gesicht. »Es sind die Burschen aus der Ankertaugasse, Feldwebel«, erklärte er. »Sie wollten übers Dach zu uns kommen, um den dummen Nachtnarren einen Schrecken einzujagen.«
»Du verhaftest
Unaussprechliche
?«
»Keine Uniform. Keine Dienstmarke. Bewaffnet. Wie wär’s mit etwas Gesetz?«, erwiderte Mumm. »Schnauzi, wo bleibt der Kakao?«
»Wir bekommen Schwierigkeiten!«, rief Klopf.
Mumm ließ ihn warten, während er sich eine Zigarre anzündete. »Wir sind bereits in Schwierigkeiten, Windelbert«, sagte er und schüttelte das Streichholz aus. »Jetzt gilt es nur noch, die Art von Schwierigkeiten zu wählen, die wir haben möchten. Danke, Schnauzi.«
Er nahm den Becher entgegen und nickte Sam zu. »Vertreten wir uns draußen ein wenig die Beine.«
Plötzlich wurde es still im Raum, abgesehen vom Wimmern aus der Dachkammer und den fernen Schreien aus dem Abort.
»Was steht ihr hier alle so herum?«, wandte sich Mumm an die Wächter. »Möchte jemand mit der Glocke läuten und verkünden, dass alles gut ist?«
Diese Worte hingen groß und rosarot im Raum, als Mumm nach draußen in die Abendluft trat.
Er sah Leute in kleinen Gruppen von drei oder vier Personen, die miteinander sprachen und dabei gelegentlich zum Wachhaus blickten.
Mumm nahm auf einer Treppenstufe Platz und trank seinen Kakao.
Ebenso gut hätte er seine Hose ausziehen können. Die Gruppen verteilten sich und wurden zu einem Publikum. Niemand, der ein nichtalkoholisches Getränk genoss, war jemals das Zentrum so großer Aufmerksamkeit gewesen.
Er hatte Recht. Eine geschlossene Tür lädt zu tollkühnen Handlungen ein. Ein Mann, der unter einer Laterne Kakao trinkt und die kühle Abendluft genießt, ist eine Einladung zum Zögern.
»Wir verstoßen gegen die Ausgangssperre«, sagte ein junger Mann. Er trat kurz nach vorn und ebenso schnell wieder zurück.
»Tatsächlich?«, erwiderte Mumm.
»Willst du uns verhaften?«
»Ich nicht«, sagte Mumm fröhlich. »Ich habe gerade Pause.«
»Ach?« Der junge Mann deutete auf Colon und Keule. »Haben die ebenfalls Pause?«
»Jetzt ja.« Mumm drehte sich halb um. »Der Kakao ist fertig, Jungs. Holt ihn euch. Ihr braucht euch nicht zu beeilen, es ist genug für alle da. Und kommt zurück nach draußen, wenn ihr euren Kakao habt…«
Als das Geräusch pochender Stiefel verklungen war, wandte sich Mumm wieder der Gruppe zu und lächelte.
»Und wann ist
deine
Pause zu Ende?«, fragte der junge Mann.
Mumm musterte ihn. Die Haltung verriet: Er wollte kämpfen, obwohl er kein Kämpfer war. Wäre dies eine Taverne gewesen, hätte der Wirt jetzt seine teureren Flaschen in Sicherheit gebracht, denn solche Amateure zertrümmerten immer viel Glas. Jetzt sah Mumm, warum ihm das Wort »Taverne« eingefallen war. Eine Flasche ragte aus der Tasche des Mannes. Er hatte sich seinen Mut angetrunken.
»Oh, gegen Donnerstag, schätze ich«, sagte Mumm und sah auf die Flasche. Gelächter erhob sich aus der wachsenden Menge.
»Warum Donnerstag?«, fragte der Angetrunkene.
»Weil ich am Donnerstag frei habe.«
Diesmal lachten noch mehr Leute. Wenn sich die Anspannung in die Länge zieht, kann man sie leicht zerreißen.
»Ich verlange, dass du mich verhaftest!«, stieß der Mann hervor. »Na los, versuch’s!«
»Du bist nicht betrunken genug«, sagte Mumm. »An deiner Stelle würde ich heimgehen und meinen Rausch ausschlafen.«
Die Hand des Mannes schloss sich um den Flaschenhals. Jetzt ist es so weit, dachte Mumm. Er will es tatsächlich darauf ankommen lassen. Ich schätze, seine Chancen stehen etwa eins zu fünf…
Zum Glück war die Menge noch nicht besonders groß. In einer derartigen Situation konnte man keine Leute gebrauchen, die hinten standen, den Hals reckten und fragten, was vorne geschah. Und die Laternen des Wachhauses beleuchteten den Ort des Geschehens.
»Mein Freund, davon rate ich dir dringend ab«, sagte Mumm und trank einen weiteren Schluck Kakao. Inzwischen war er lauwarm, aber Becher und Zigarre beanspruchten beide Hände. Das war wichtig. Er hielt keine Waffe. Niemand konnte nachher behaupten, dass er eine Waffe in der Hand gehabt hatte.
»Ich bin kein Freund von Leuten wie euch!«, erwiderte der Mann scharf und
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