Die Nachtwanderin
hoffte, dass er Mimma eines Tages wieder sah und sie, trotz ihrer Indifferenzen, irgendwie Freunde sein konnten.
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Ardric fuhr mit Höchstgeschwindigkeit und insofern es ihm durch die kurvige Straßenlage außerhalb der Stadt möglich war, über verlassene Landstraßen, fieberhaft in Richtung des Geheimquartiers der Ältesten. Ein verlassenes und großflächiges Kloster mit hohen Wänden und unzähligen Katakomben, die sich unterhalb des gesamten Klostergeländes erstreckten. Während der Fahrt informierte er Talon und die Ältesten über sein Handy über die Lage und Mimmas Zustand und, dass sie sich auf ihre baldige Ankunft vorbereiten sollten. Es wurde ihm zugesichert, dass bis zu ihrer Ankunft ein abgedunkeltes Zimmer für Mimma und Ardric vorbereitet wurde, in dem sich ihre Verwandlung in vollkommener Ruhe vollziehen konnte. Hin und wieder warf Ardric einen Blick auf sie. Mimma lag bewegungslos auf dem Rücksitz. Sie befand sich noch immer im Anfangsstadium des Verwandlungsprozesses. Das Vampirgift aus Ardrics Speichel, verteilte sich langsam über die Bisswunde am Hals, in ihrem gesamten Körper. Erst danach begann der schmerzliche Teil und bevor dieser eintrat und bevor die Sonne aufging, wollte Ardric das Kloster erreicht haben.
Ardric kannte die Strecke beinahe auswendig, denn bevor er sich Mimma annahm, war er mindestens einmal wöchentlich bei den Ältesten im Kloster, um die Neugeborenen unter die Lupe zu nehmen und um ihre Fortschritte begutachten zu können und um Streuner in der Familie willkommen zu heißen. Als Vampir hatten sich dank seiner geschärften Sinne und seiner erhöhten Gehirnkapazitäten, sämtliche Windungen der Straßen in sein Gedächtnis eingebrannt. Er hätte die Strecke ebenso mit verbundenen Augen fahren können. Doch um jedes Risiko, mit Mimma nicht rechtzeitig im Kloster anzukommen, zu vermindern, unterließ er dieses Spielchen, das er oft aus langer Weile gespielt hatte, um sich so seine Fahrtzeit zu versüßen.
Endlich kam die ersehnte Abzweigung, die tief in den Wald und am Ende der nicht asphaltierten Straße, zu hohen sandsteinfarbenen Mauern und zu einem ebenso hohen, massiven Stahltor führte. Da seine Ankunft erwartet wurde, wurde ihm das Stahltor geöffnet, sobald er mit dem Kloster Sichtkontakt hatte und man seinen herannahenden Wagen erkannte. Er fuhr mit seinem Auto ins Innere des Klosterhofes. Dort wurde er von zwei sehr schweigsamen Vampiren in Empfang genommen, die die auberginefarbenen Mönchskutten des Klosters trugen. Ein Überbleibsel aus früheren Zeiten. Aus Respekt Ardric gegenüber, da er sehr viel älter war als sie, nahmen sie ihre Kapuzen runter, die an den Mönchskutten angebracht waren. Denn wenn man sie über den Kopf zog, tauchten sie beinahe das ganze Gesicht in einen dunklen Schatten, sodass man nicht erkennen konnte, wen man vor sich stehen hatte. Beiden Vampiren wurde aufgrund einer Lüge, dieselbe Strafe zuteil. Ihnen wurden zwei Drittel ihrer Zungen abgeschnitten. Die Zunge wuchs zwar wieder nach, doch in dieser Zeit, konnten sie nicht reden. Einer fuhr Ardrics Wagen weg, der andere führte ihn, mit Mimma auf seinen Armen, durch die langen und verschlungenen Klostergänge, die mit Fackeln beleuchtet wurden. Vor einer großen, hölzernen Tür blieb der stumme Vampir stehen und deutete Ardric an, dass dies das vorbereitete Zimmer sei. Er öffnete ihm die Tür und zog sie wieder ins Schloss, als er im Zimmer war. Als eine Art Leibeigener, musste er außerhalb des Zimmers, vor der Tür verweilen, um Ardric alles zu besorgen, was er benötigte. Nun waren Ardric und Mimma wieder alleine. Die Fenster waren mit schweren, schwarzen Vorhängen abgehängt. Wie schon in den Gängen, wurde auch das Zimmer mit Fackeln und zusätzlich mit Kerzen beleuchtet. Mitten im Raum befand sich ein prunkvolles Himmelbett. Der Überzug der Matratze und auch die Bettwäsche bestanden aus feinster Ägyptischer Baumwolle und waren frisch bezogen. Der kalte und steinerne Fußboden wurde ringsherum um das Bett, mit kostbaren Teppichen ausgelegt. Neben dem Himmelbett stand eine wunderschöne, alte Holzkommode mit einem Schminkspiegel. Oben auf der Kommode lagen goldene Kämme, Haarbürsten, wertvolle Haarklammern, die mit Edelsteinen besetzt waren und anderer Krimskrams. Die Ältesten ließen es sich nicht nehmen, Mimma zu zeigen wie kostbar sie ihnen als Anwärterin und baldiger Vampir war. Vorsichtig legte er Mimma ins Bett. Dann bat er den stummen Vampir einzutreten.
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