Die Nachtwanderin
gedankenverloren mit seiner Fingerspitze die Konturen ihrer Lippen nach. Dann tauchte er seine Hand in die Schale mit warmem Wasser und prüfte, ob das Wasser womöglich zu heiß sein könnte. Doch es hatte eine angenehme Temperatur. Ardric tauchte den Schwamm ein und begann damit Mimmas Gesicht und Hals zu reinigen. Überall hatte sie Abschürfungen und blaue Flecken. Immer wieder tauchte er den Schwamm in das Wasser, um den Schmutz und das Blut abzuwaschen. Und jedes Mal färbte sich das Wasser ein wenig röter, wenn er den Schwamm ausrang. Als er fertig war, die Stellen an Mimmas Körper zu reinigen, die nicht von ihrer Kleidung bedeckt waren, legte er denn Schwamm beiseite und machte sich daran ihren Wollpullover und das T-Shirt auszuziehen. Behutsam hob er ihren Oberkörper an und streifte ihr mit gekonnten Handbewegungen die Sachen vom Leib. Dann setzte er die Reinigung fort. Mimmas Bauch und Brustkorb, beinahe jeder Zentimeter ihrer Haut, waren von Blutergüssen übersät. Ardric biss sich auf die Unterlippe und betrachtete ihrer Verletzungen voller Unmut. Er spürte wie der Groll gegenüber Baddo und was er Mimma angetan hatte, stetig anwuchs. Ardric schwor sich, Baddo, wenn die Zeit gekommen war, aufzuspüren und ihm das Leben zu nehmen. Doch es sollte langsam und qualvoll geschehen. Jede Sekunde seines dahinscheidenden Lebens, sollte er bewusst wahr nehmen. Das war das Mindeste, was er tun konnte, um Mimmas Qualen, die sie durch Baddos Hand erlitten hatte, zu rechen. Wieder klopfte es an der Tür. Ardric wendete seinen Blick nicht von Mimma ab.
"Komm rein und stell es auf der Kommode ab", sagte er. Die Tür öffnete sich langsam.
"Ähm Ardric, wir sind es", sagte eine ihm vertraute, männliche Stimme. Ardric hob seinen Kopf und blickte in die treuen Augen von Talon und in die warmen Augen von seiner Gefährtin, Flora.
"Dürfen wir kurz rein kommen?", fragte Flora freundlich. Ardric nickte.
"Herrje, Mimma sieht wirklich schlimm aus", sagte Talon, als er ihren zerschundenen Körper im Bett erblickte.
"Ja wirklich schlimm", wiederholte Flora entsetzt, als sie Mimma sah. Dann sah sie Ardric an und neigte ihren Kopf leicht zur Seite, als sie spürte, in welchem Aufruhr seine Seele sich befand.
"Flora, lass das bitte. Mein Innenleben geht dich nichts an!", fuhr Ardric sie an.
"Ardric, hör auf damit dir die Schuld zu geben.
Dich von Hass und Zorn zerfressen zu lassen, hilft dir nicht weiter. Im Gegenteil! Mimma mag im Moment fürchterlich aussehen, doch sobald sie als Vampir aufersteht, wird das alles vergessen sein.
All die Angst und die Schmerzen, die sie durchlitten hatte, verschwinden hinter einem verschwommenen Vorhang ihrer menschlichen Emotionen. Sie wird schon wieder. Doch das wichtigste ist, dass du als ihr Macher für sie da bist. Mimma wird als Neugeborene deine volle Aufmerksamkeit brauchen. Reiß dich zusammen!", schimpfte Flora und wusch Ardric kräftig den Kopf. Überrascht über die Strenge in ihrem Ton, die er noch nie zuvor bei ihr erlebt hatte, sah er sie mit offenem Mund erstaunt an. Talon packte Flora am Arm.
"Flora lass ihn!", sagte er harsch. Flora funkelte Talon böse an, denn sie war es nicht gewohnt von ihm zurechtgewiesen zu werden. Doch auch wenn sie ein Liebespaar waren, so war Talon noch immer ihr Macher, dem sie zu gehorchen hatte. Eingeschnappt verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und wendete ihren Kopf von ihm ab.
"Nein Talon, das geht in Ordnung. Flora hat vollkommen Recht. Ich sollte meine ganze Aufmerksamkeit Mimma widmen und nicht irgendwelche Rachepläne schmieden, die ihr sowieso nicht weiter helfen, sondern nur meinem eigenen Wohl dienen", erkannte Ardric und nickte zustimmend mit dem Kopf. Mit einem triumphalen Grinsen sah Flora Talon an und streckte ihm frech die Zunge entgegen. Doch wie immer bewahrte Talon seine Haltung, denn er wollte nicht vor Ardric dumm da stehen. Er hatte auch noch später Zeit, Flora über ihr ungebührliches Verhalten ihm Gegenüber, auszuschimpfen.
"Was hast du mit dem Schwamm vor?", fragte Flora neugierig, als sie ihn in Ardrics Hand erblickte.
"Ich wollte Mimma etwas Gutes tun und sie waschen, da sie voller vertrocknetem Blut und Schmutz ist", erklärte er ihr.
"Sollte das nicht lieber eine Frau machen? Das wird dir doch sicherlich unangenehm sein, sie auszuziehen und völlig nackt zu sehen", meinte Flora und bot an, diese Aufgabe an seiner Stelle zu übernehmen.
"Nein, eigentlich stört es mich nicht, sie nackt zu sehen. Doch du hast
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