Die Nachtwanderin
leisten sich gehen zu lassen und das tut ihm glaube ich sehr gut", klärte Flora Mimma auf. Dann streckte sich Flora ausgiebig und wuschelte mit beiden Händen durch ihre wilden Locken.
"So, ich geh dann mal. Ich kann es kaum noch abwarten. Mein Magen frisst sich schon selbst auf", sagte sie, verzog ihr hübsches Puppengesicht zu einer Grimasse und machte große Augen, während sie sich mit beiden Händen auf ihren flachen Bauch trommelte.
"Ach ja, bevor ich es vergesse.
Du solltest wissen, dass du es Ardric zu verdanken hast, dass keiner Interesse an dir zeigt. Naja, außer dieser merkwürdige, nach Hund muffelnde Raven. Aus Eifersucht hat er jeden hier angewiesen, die Finger von dir zu lassen. Er wollte dir die Tour vermasseln. Ich hatte das Gefühl, dass ich dir das sagen sollte", erzählte ihr Flora. Mimma sah sie überrascht an. Das hätte sie Ardric nicht zugetraut, aber so mehr sie darüber nachdachte, desto mehr traute sie es ihm doch zu. Es passte zu ihm, alle nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
"Ich habe hier etwas für dich", sagte Flora und überreichte Mimma eine schwarze, etwa zwei Finger breite Metallkapsel, die nicht länger war, als ihr Daumen. Neugierig beäugte Mimma die schwarz glänzende Metallkapsel.
"Was ist das?", wollte sie von Flora wissen.
"Öffne es erst, wenn du glaubst, dass der Zeitpunkt gekommen ist.
Darin befindet sich etwas, das du bald brauchen kannst, da bin ich mir sicher!", erwiderte Flora ihr augenzwinkernd.
"Dann verabschiede ich mich nun von dir, denn ich denke wir werden uns heute nicht mehr sehen.
Aber ich hoffe, wenn wir das nächste Mal aufeinander treffen, dass du dann eine von uns sein wirst", sagte Flora und drückte Mimma zum Abschied genauso herzlich wie zur Begrüßung. Wieder tauchte Mimmas Gesicht für ein paar Sekunden in die weichen Locken von Flora ein. Dann verschwand Flora blitzschnell aus ihrem Blickfeld. Mimma begutachtete die Metallkapsel zwischen ihren Fingern. In der Mitte verlief rundherum ein Schlitz, der als Öffnung diente. Sie hielt die Kapsel an ihr Ohr und schüttelte sie vorsichtig. Im Inneren der Kapsel schien etwas zu sein, denn sie vernahm ein dumpfes Geräusch. Da sie im Moment nicht wusste, was sie damit anfangen sollte, schob sie die Metallkapsel in ihrer Hosentasche. Dann atmete sie geräuschvoll aus und sah sich um. Noch schien alles ruhig zu sein. Die Leute tanzten und benahmen sich dem Partymotto entsprechend normal. Doch langsam fühlte sich Mimma so ganz alleine immer unwohler. Sie wusste nicht, was sie gleich erwarten würde, wenn Ardric das Zeichen gab und bekam es mit der Angst zu tun. Mimma überlegte, ob sie in Ardrics Büro flüchten sollte und warf einen Blick hoch zu den verspiegelten Scheiben. Doch sie wusste nicht, ob Ardric es selbst belegte, um ungestört zu trinken. Ihr war die Vorstellung zuwider in das Büro zu platzen und Ardric beim Trinken zu sehen. Nicht die Vorstellung, dass er Blut trank, störte sie, sonder die Vorstellung, wie er sich am Körper einer wunderschönen Frau labte. Unsicher sah sie sich um. Sie wusste, dass sie auch nicht den Club verlassen konnte, denn sie erinnerte sich an Ardrics Anweisungen, den Club zum Zeitpunkt des Blutbuffets zu schließen. Niemand kam mehr rein, oder raus. Auch sie nicht. Und wer weiß, was ihr draußen vielleicht zustoßen könnte. Sicher war sie tatsächlich nur im Club. An dem Ort, an dem sie im Moment überhaupt nicht sein wollte.
Mimma drehte sich zum Tresen um und starrte in die Luft. Ihr war zum Heulen zumute und die Tränen stiegen in ihre Augen. Sie versuchte sie mit einem großen Schluck Martini zurückzudrängen und hinunterzuschlucken, als sie plötzlich einen festen Griff um ihren Unterarm spürte. Erschrocken sah sie auf die große Hand, die sie fest umklammert hielt. Dann blickte sie auf und sah zu ihrer Überraschung in Ardrics lodernde Augen. Erleichterung machte sich in ihr breit.
"Komm schnell, beeil dich!", sagte er zu ihr und zog sie vom Barhocker runter. Ohne Protest ließ sie sich von Ardric mitschleifen. Plötzlich hörte sie grollende und knurrende Geräusche, gemischt mit lustvollem Stöhnen und schmerzerfülltem Jammern. Erschrocken sah sich Mimma um, während Ardric sie weiterhin quer durch den Club zehrte.
Das große Fressen hatte begonnen. Überall sah sie Vampire, mit ihren furchterregenden Fratzen, wie sie ihre Fangzähne in das Fleisch der Menschen vergruben. Wo sie nur hinblickte, floss Blut. Die Menschen schienen alle Willenlos zu sein.
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