Die Nachtwanderin
Sie konnte nicht erkennen, ob sie es genossen oder ob es ihnen missfiel. Mimma lief ein kalter Schauer über den Rücken und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Um sie herum befanden sich um einiges mehr Vampire, als sie erwartet hatte. Sie fühlte sich wie eine Gazelle, die von gefräßigen Löwen umzingelt und in die Enge getrieben wurde. Es gab keinen Ausweg mehr. Nun musste sie ihr vollstes Vertrauen in Ardrics Hände legen, denn es blieb ihr nichts anderes übrig. Ardric steuerte geradewegs auf eines der Séparées zu. Er schien es extra für sich reserviert zu haben, denn auf dem Tisch stand eine gekühlte Flasche eines hochwertigen und teuren Champagners, in einem Eimer voller Eiswürfel bereit. Daneben standen zwei unbenutzte Gläser mit Zuckerrand. Mimma setzte sich in die hinterste Ecke und zog ihre Füße auf das luxuriös aussehende Polster der Sitzecke. Es kümmerte sie nicht, ob es schmutzig oder gar durch ihre spitzen Absätze beschädigt werden könnte. Dann umschlang sie mit beiden Armen ihren Oberkörper, rieb sich über ihre Arme und presste ihre Augen fest zu. Sie begann stoßartig durch den Mund zu atmen und versuchte die Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Doch immer wieder sah sie die furchterregenden Fratzen und die blutverschmierten Fangzähne der Vampire vor sich, wie sie gierig das Blut ihrer willenlosen Opfer aussaugten. Die ausdruckslosen Gesichter der Menschen jagten Mimma zusätzlich Angst ein, denn viele von ihnen wirkten, als ob sie an der Schwelle des Todes standen, wie sie so reglos in den Armen ihrer nach Blut dürstenden Peiniger lagen.
Ardric zog den Vorhang des Séparées zu, damit Mimma das blutrünstige Treiben vor ihren Augen nicht mehr mit ansehen musste. Doch trotz der lauten Musik, glaubte Mimma noch immer schmatzende Geräusche zu vernehmen. Ardric setzte sich neben ihr hin.
"Mimma, du kannst deine Augen wieder öffnen, ich habe den Vorhang geschlossen, damit du nicht mehr sehen musst, was dort vor sich geht", sagte Ardric zu ihr. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah sich um. Das Separee wurde nur spärlich mit einer kleinen, roten Glühbirne beleuchtet. Ardric bemerkte, dass Mimma vor Angst zitterte und wollte seinen Arm zur Beruhigung um sie legen.
"Nicht!
Nicht anfassen, bitte!", rief sie mit weinerlicher Stimme und schlang ihre Arme noch fester um ihren Oberkörper. Sie versuchte mit aller Macht gegen ihre Tränen anzukämpfen.
"Das war wohl zu viel des Guten.
Einen kurzen Augenblick dachte ich, dass du es einigermaßen verkraften und es wie eine waschechte Anwärterin hinnehmen würdest.
Ich hatte mir zumindest nur ein wenig Gleichgültigkeit dem Ganzen gegenüber gewünscht, doch da habe ich wohl zu viel von dir erwartet", gab Ardric ernüchternd von sich.
"Kannst du nur einmal deine dummen und unreifen Sprüche unterlassen. Ich versuche mich gerade zusammen zu reißen!", zischte Mimma ihn verärgert an. Sie löste ihre Arme von ihrem Oberkörper und rieb sich unablässig ihre zitternden Hände. Ihre Handflächen schwitzten. Mimma rieb sie über ihre Oberschenkel, um sie zu trocknen. Ihre Augen heftete sie auf den blickdichten Vorhang. Hin und wieder bewegte er sich leicht und bei jeder Bewegung zuckte Mimma unmerklich zusammen, aus Angst, dass eine wilde Horde Vampire außer Rand und Band das Séparée stürmen könnte, um über sie herzufallen.
"Woran denkst du?", fragte Ardric, als er ihren starren Blick bemerkte.
"An nichts", gab Mimma wortkarg von sich.
"Du denkst doch nicht etwa an diesen widerlichen Kerl, in dessen Armen du lagst und dessen widerliche Lippen, sich wie eine Saugglocke über deine gesamte untere Gesichtshälfte gestülpt hatten!", sagte Ardric empört. Mimma sah ihn überrascht an.
"Du hast mich mit Raven zusammen gesehen?", fragte sie.
"Oh Raven heißt der Bastard also, mit dem du innerhalb weniger Minuten per du warst und dich von seiner ekelhaften Zunge hast ablecken lassen!", antwortete Ardric ihr und machte einen angewiderten Gesichtsausdruck.
"Jetzt spinn hier bitte nicht so rum und hör damit auf, einen auf eifersüchtig zu machen!", herrschte Mimma ihn an.
"Ich kann tun und lassen was ich will, denn ich bin..."
"Der große Ardric Donovan!", äffte Mimma Ardric nach und versuchte dabei seine tiefe Stimme zu imitieren.
"Du wirst nicht mehr so große Töne spucken, wenn ich dem Bastard sein schlagendes Herz bei lebendigem Leibe aus der Brust reiße und es dir als Trophäe mitbringen werde!", drohte Ardric ihr.
"Erstens hat er einen
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