Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
Wasser gefallen wäre !«
    Katie setzte zu einer Erwiderung an, doch Richard mischte sich ein und schlug ein andres Thema an, ehe der Konflikt sich ausweiten konnte. In Wahrheit war die gesamte Familie ziemlich gereizt. Bereits vor einem Monat war Rama in die Mars-Orbitalbahn gezogen — und noch immer gab es kein Anzeichen, dass das Erd-Emigrantenkontingent sich näherte, das sie aufnehmen sollten. Und Nicole selbst hatte immer unterstellt, dass die Begegnung mit den Erd-Mitmenschen sofort nach Einschwenken auf den Mars-Orbit erfolgen werde.
    Nach dem Essen begab sich die Familie in Richards kleines Hintergarten-Observatorium hinaus, um sich den Mars anzusehen. Das Observatorium war mit sämtlichen externen Rama- Sensoren verbunden (aber mit keinerlei internen, außerhalb von Eden — in diesem Punkt war der Adler bei allen Planungsgesprächen unerbittlich geblieben) und bot an jedem Marstag partielle grandiose Teleskopaussichten auf den Roten Planeten.
    Benjy liebte ganz besonders diese Beobachtungen mit Richard. Stolz machte er die Vulkane im Tharsis-Bereich aus, den gewaltigen Canyon Valles Marineris und das Chryse Gebiet, in dem vor über zweihundert Jahren die erste Vking Sonde gelandet war. Südlich von Mutch-Station, dem Zentrum der großen Marskolonie, die in den unruhigen Zeiten nach dem Großen Chaos aufgegeben worden war, braute sich gerade ein Sandsturm zusammen. Richard schätzte, dass der Staub sich über den ganzen Planeten ausbreiten könnte, da es genau die Jahreszeit für derartige globale Stürme war.
    »Was wird, wenn die andern Erdlinge nicht kommen?«, fragte Katie nach einer Pause. »Und, Mutter, gib uns diesmal wirklich eine klare Antwort. Immerhin sind wir keine kleinen Kinder mehr! «
    Nicole überhörte den herausfordernden Ton. »Wenn ich mich richtig erinnere, sieht der Grundplan vor, dass wir hier in der Marsumlaufbahn sechs Monate warten«, erwiderte sie. »Wenn es in dieser Zeitspanne nicht zu einer Bewegung kommt, fliegt Rama zur Erde.« Sie schwieg sekundenlang. »Euer Vater und ich wissen auch nicht, was dann geplant ist. Der Adler erklärte uns nur, wenn irgendeiner der Notpläne in Gang gesetzt wird, würde man uns zu gegebener Zeit alles sagen, was wir wissen müssten.«
    Während auf dem Riesenwandschirm Mars-Bilder in unterschiedlicher Au fl ösung erschienen, herrschte minutenlang Schweigen im Raum. »Wo ist die Erde?«, fragte Benjy auf einmal.
    »Sie ist der nächstinnere Planet nach dem Mars in Sonnennähe«, antwortete Richard. »Weißt du noch, ich habe dir doch die Planetenbahnen im Computer gezeigt.«
    »Das hab ich nicht gemeint«, antwortete Benjy sehr langsam. »Ich will die Erde sehen.«
    Die Bitte war simpel genug. Aber es war Richard nie in den Sinn gekommen — obwohl er mit der Familie schon mehrmals in seinem Observatorium gewesen war —, dass die Kinder an diesem armseligen blauen Licht fl eck im Mars-Nachthimmel Interesse haben könnten. »Aus dieser Entfernung ist die Erde nicht sehr beeindruckend«, sagte Richard und fragte seine Datenbasis nach dem genauen Sensor-Output ab. »Eigentlich sieht sie genau wie alle anderen helleren Himmelskörper aus, beispielsweise ziemlich ähnlich wie der Sirius.«
    Richard hatte nicht begriffen. Sobald er die Erde in einem spezifischen Himmelsausschnitt ausgemacht und dann den Blickpunkt auf diesen scheinbar unbedeutenden Lichtfleck zentriert hatte, starrten die Kinder in atemloser Faszination auf das Bild.
    Ja, das ist ihr Heimatplanet, dachte Nicole, die ihrerseits von dem plötzlichen Stimmungswandel im Raum fasziniert war. Und dabei haben sie sie noch nie betreten. Und während auch sie auf den kleinen Lichtpunkt in der Bildmitte starrte, stiegen Erinnerungen an die Erde in ihr auf. Sie verspürte plötzlich tief in ihrem Herzen ein starkes Heimweh, eine nostalgische Sehnsucht nach der Rückkehr auf diesen gesegneten meerbedeckten Planeten, der so voller Schönheit war. Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie legte die Arme um ihre Kinder.
    »Wohin immer unser Weg führt, in diesem erstaunlichen Universum«, sagte sie leise, »jetzt oder in Zukunft ... dieser blaue helle Fleck da wird stets unsere Heimat sein.«

    2
    Nai Buatong stand noch vor dem Morgengrauen auf. Sie zog sich ein ärmelloses Baumwollkleid über, hielt kurz inne, um ihrem persönlichen Buddha im Haong-pra der Familie neben dem Wohnzimmer ihre Verehrung zu erweisen, und öffnete dann die Haustür, ohne irgendwen sonst im Haus zu stören. Die

Weitere Kostenlose Bücher