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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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befahl, den Lehren des heiligen Honen abzuschwören. Aber Keiko war nicht da. Und sie war auch nicht draußen an der Stelle, wo die beiden Damen begraben worden waren, dicht neben dem Bambuswald. Kenji dachte schon, er müsse sich getäuscht haben. Keiko ist nicht gekommen. Sie glaubt, sie hat zu sehr ihr Gesicht verloren, dachte er.
    Als einzige Hoffnung blieb ihm, dass Keiko vielleicht auf dem Friedhof am Honen-In auf ihn warten könnte, wo er ihr vor siebzehn Jahren eröffnen musste, dass er von Japan fortgehen werde. Sein Herz hämmerte heftig, als er den Pfad zum Tempel hinaufging. Rechts vor ihm, weit entfernt, sah er eine weibliche Gestalt. Sie trug ein schlichtes schwarzes Gewand .. . und sie stand am Grabmal des Junichiro Tanizaki.
    Sie stand von ihm abgewandt, und er konnte im Dämmerlicht nicht mehr sehr deutlich sehen, doch er war sicher, dass sie Frau Keiko sein musste. Er rannte die letzten Stufen zum Friedhof hinauf und blieb fünf Meter vor der schwarzen Gestalt entfernt stehen.
    »Keiko«, rief er atemlos. »Ich bin ja so froh .. .
    »Watanabe-san«, sagte die Gestalt förmlich, als sie sich umdrehte und sich ihm mit gesenktem Kopf und niedergeschlagenen Augen zuwandte und sich tief vor ihm verneigte, als wäre sie eine Dienerin. »Domo arigato gozaimasu«, sagte sie zweimal. Dann richtete sie sich auf, blickte ihm aber noch immer nicht ins Gesicht.
    »Keiko«, sagte er leise, »ich bin's doch nur, Kenji. Und ich bin allein. Bitte sieh mich an.
    »Ich kann nicht«, sagte sie mit kaum vernehmbarer Stimme. »Aber ich kann dir Dank sagen für das, was du für Aiko und mich getan hast.« Sie verneigte sich wieder und sagte noch einmal: »Domo arigato gozaimasu ... «
    Kenji bückte sich impulsiv und legte ihr die Hand unters Kinn. Sacht zog er ihren Kopf nach oben, bis er ihr Gesicht sehen konnte. Keiko war noch immer schön. Aber es war ein Schock für ihn, in diesen zarten Zügen die untilgbaren Spuren solch tiefer Trauer eingegraben zu sehen.
    »Keiko«, stammelte er leise. Ihre Tränen zerschnitten ihm das Herz wie winzige Messerchen.
    »Ich muss nun gehen«, sagte sie. »Ich wünsche dir Glückseligkeit.« Sie entzog sich seinen Händen und verbeugte sich erneut tief. Dann reckte sie sich und schritt, ohne ihn noch einmal anzusehen, langsam den Pfad hinab in die tieferen Dämmerungsschatten.
    Kenji sah ihr nach, bis sie in der Ferne verschwand. Erst dann wurde ihm bewusst, dass er gegen die Grabsteine Tanizakis gelehnt dastand. Er starrte eine Zeitlang die beiden Kanji-Glyphen auf den grauen Gedenksteinen an: Ku und Jaku. Das eine Schriftzeichen bedeutete >Leere<, das andere >Einsamkeit<.

    5
    Als die Rama-Botschaft im Jahre 2241 von den Radarsatelliten zur Erde übertragen wurde, führte das sofort zu beträchtlicher Bestürzung. Das von Nicole gefertigte Video wurde sofort zur allerhöchsten Geheimsache erklärt, wie nicht anders zu erwarten, während die International Intelligence Agency (IIA), die Sicherheitsabteilung von COG, sich alle Mühe gab, herauszufinden, was denn das Ganze sollte. Ein Dutzend der höchstqualifizierten Sicherheitsspezialisten wurde bald darauf in die Hochsicherheits->Fabrik< in Nowosibirsk verfrachtet, um die Botschaft aus dem tiefen Weltraum zu analysieren und einen Generalplan für die CO G- Reaktion auszuarbeiten.
    Sobald mit Sicherheit feststand, dass weder die Chinesen noch die Brasilianer das Signal aus dem All hätten decodieren können (sie hatten technisch einfach noch nicht mit COG gleichziehen können), wurde die verlangte Empfangsbestätigung in Richtung Rama gesendet, wodurch eventuellen Wiederholungen von Nicoles Video schon einmal vorgebeugt war. Dann stürzten sich die Superagenten mit höchster Konzentration auf die detaillierte Inhaltsanalyse der Botschaft selbst.
    Sie begannen dies mit Hilfe von etlicher Gesichtssondierung. Es galt weithin als Tatsache — trotz einiger gegenteiliger (aber als Irrlehre abgetaner) Beweisführungen —, dass das Rama-II genannte Raumfahrzeug im April 2200 durch das Sperrfeuer irdischer Nuklearraketen zerstört worden sei. Nicole des Jardins, das vorgeblich menschliche Wesen, das dieses Video aufgenommen haben sollte, galt als höchstwahrscheinlich tot<, noch ehe sich der wissenschaftliche Teil der Newton-Expedition auch nur von Rama absetzte. Also war sie — oder was von ihr noch vorhanden war — zweifellos in dem verheerenden nuklearen Holocaust annihiliert worden. Demzufolge konnte die oder das, was da auf dem Video

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