Die nächste Begegnung
zurückkehrte.«
Kenji machte eine Pause und betrachtete sich seine Zuhörer. Obwohl Commander Macmillan erklärt hatte, dass den Passagieren und der Crew ein Videoband von Kenjis Ausführungen zur Verfügung stehen werde, machten sich viele Notizen. Kenji genoss seinen Augenblick im Rampenlicht. Er lächelte Nai zu, dann fuhr er fort:
»Kosmonaut Francesca Sabatini, die prominenteste Überlebende der fatalen Newton-Expedition, stellt in ihren Memoiren die Behauptung auf, Dr. des Jardins müsse entweder einem feindlichen Bioten begegnet sein oder in einen der NewYorker Blackout-Bezirke gestürzt sein. Da beide Frauen einen Großteil jenes Tages zusammen gewesen waren — sie suchten den vermissten japanischen Wissenschaftler Shigeru Takagishi, der auf rätselhafte Weise in der Nacht zuvor vom Beta-Lager verschwunden war —, war Signora Sabatini genau über die Menge Proviant und Wasser informiert, die Kosmonaut des Jardins bei sich hatte. >Selbst bei ihrem perfekten Wissen um den menschlichen Körper<, sch ri eb Sabatini, >hätte Nicole unmöglich länger als eine Woche überleben können. Und sollte sie im Delirium versucht haben, sich Wasser aus dem Eis der giftigen Zylindrischen See zu verschaffen, so hätte sie sogar noch früher sterben müssen.<
Unter dem halben Dutzend Newton-Kosmonauten, die von der Begegnung mit Rama-II nicht wiederkehrten, hat schon immer Nicole des Jardins das größte allgemeine Interesse ausgelöst. Lange bevor der exzellente Statistiker Roberto Lopez vor sieben Jahren — und korrekt — anhand der in Den Haag gespeicherten europäischen Gen-Informationen zu dem Schluss gelangte, dass der Vater von Madame des Jardins Tochter Genevieve der verstorbene König Hen ry XI. von England gewesen sein müsse, genoss Nicole einen geradezu legendären Ruf. In jüngster Zeit hat sich die Zahl der Pilger zu ihrer Gedächtnisstätte beim Haus ihrer Familie in Beauvois/ Frankreich beträchtlich erhöht, besonders unter jungen weiblichen Personen. Die Menschen strömen dorthin, nicht nur um der Kosmonautin des Jardins ihre Reverenz zu erweisen und die zahlreichen Fotos und Videos zu sehen, die ihr außergewöhnliches Leben dokumentieren, sondern auch, um die beiden großartigen Bronzestatuen des g ri echischen Bildhauers Theo Pappas zu bewundern. Die eine stellt die junge Nicole im knappen Sportdress mit der olympischen Goldmedaille um den Hals dar; das zweite Standbild zeigt sie als reife Frau, und sie trägt einen ISA Raumanzug, ähnlich jenem, den ihr alle gerade auf dem Video gesehen habt.«
Kenji gab ein Zeichen zur Rückseite des kleinen Vorführraums, und die Lichter erloschen. Gleich darauf lief über einen der beiden Bildschirme hinter ihm eine Diafolge. »Hier habt ihr die wenigen Bilder von Nicole des Jardins, die im Archiv unserer Pinta gespeichert waren. Die Referenzdatei ergibt, dass in der Reservebibliothek, die im Frachtraum gelagert ist, weit mehr Bilder und auch histo ri sche Filmclips vorhanden sind, nur sind diese Daten leider wegen der eingeschränkten Datenverbindungen während des Fluges derzeit nicht abrufbar. Sie sind aber auch nicht nötig, denn aus den hier gezeigten Fotos geht klar hervor, dass die Person, die heute Nachmittag in der Übertragung erschien, entweder Nicole des Jardins ist — oder eine perfekte Kopie von ihr..
Ein vergrößertes Standfoto aus dem Video vom Nachmittag blickte starr vom linken Monitor und verharrte neben einer Kopfaufnahme von Nicole, die in der Hadriansvilla bei Rom seinerzeit in der Silvesternacht gemacht worden war. Es konnte keinen Zweifel geben: Auf beiden Bildern war eindeutig die gleiche Frau zu sehen. Unter den Zuschauern kam zustimmendes Gemurmel auf, und Kenji wartete ein Weilchen.
Dann sprach er mit etwas gedämpfterem Ton weiter: »Nicole des Jardins wurde am sechsten Januar 2164 geboren. Wenn also das Video, das wir alle heute Nachmittag sahen, tatsächlich vor vier Jahren aufgenommen worden ist, hätte sie zu diesem Zeitpunkt siebenundsiebzig Jahre alt sein müssen. Nun wissen wir zwar alle, dass Dr. des Jardins sich in erstaunlich perfekter körperlicher Kondition befand und regelmäßig trainierte, doch wenn die Frau, die wir heute Nachmittag in dieser Videobotschaft sahen, siebenundsiebzig Jahre alt war, dann müssen diese Aliens, die Rama bauten, auch einen Jungbrunnen entdeckt haben.«
Es war spät in der Nacht, und Kenji war sehr müde, doch er konnte noch immer nicht einschlafen. Immer wieder drangen die Ereignisse
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