Die nächste Begegnung
Zigarette an. »Ich hab mir vielleicht gedacht, du und ich ... also, ich mein, wir zwei waren ja mal so was wie Freundinnen für 'ne Weile ...« Ihre Stimme verlor sich. »Schiet, mein Downtrip setzt ein, ich werd depressiv. Das ist grässlich ... scheußlich .. . ich halt das nicht aus. Ich weiß nicht, was ich mir eigentlich erwartet hab, aber du hast schließlich dein eigenes Leben zu leben ... Ich geh jetzt wohl besser! «
Kimberly kam auf Eponine zu und umarmte sie flüchtig. »Pass gut auf dich auf, ja?«, sagte sie. »Um mich mach dir mal keine Gedanken. Ich pack das schon!«
Erst als die Tür hinter Kimberly zugeschnappt und sie wieder allein war, fiel Eponine auf, dass sie die ganze Zeit kein Wort gesprochen hatte, während ihre frühere Freundin in der gemeinsamen Wohnung gewesen war. Aber sie war sicher, sie würde Kimberly nie wiedersehen.
5
Die Senatssitzung war öffentlich, und jedermann in der Kolonie konnte teilnehmen. Die Zuhörergalerie umfasste nur dreihundert Sitze, und sie war randvoll. Etliche Hundert weitere Bürger standen an den Wänden entlang oder saßen in den Gängen. Die vierundzwanzigköpfige Legislative New Edens unten im Saal wurde vom präsidierenden Abgeordneten, Gouverneur Kenji Watanabe, zur Tagesordnung gerufen.
Nachdem Kenji mehrmals mit dem Hammer um Ruhe gebeten hatte, sagte er: »Wir setzen heute die öffentliche Anhörung über den Etat fort mit einem Vortrag des Chefs unseres Eden-Hospitals, Dr. Robert Turner. Er wird zusammenfassend erläutern, was im verflossenen Haushaltsjahr mit den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln getan wurde und welche Mittel er für das kommende Jahr für erforderlich hält.«
Dr. Turner trat ans Rednerpult und gab den zwei Tiassos, die bei ihm gesessen hatten, einen Wink. Die Bioten stellten rasch einen Projektor und einen freischwebenden Videokubus auf, in dem optische Informationen die Rede Dr. Turners untermauern sollten.
»Wir haben im vergangenen Jahr große Fortschritte gemacht«, begann Dr. Turner. »Sowohl was die faktische medizinische Gesundheitspolitik der Kolonie betrifft wie auch in unserem Verständnis des RV-41, des Retrovirus, das weiterhin wie ein Fluch auf unsrer Bevölkerung lastet. Im Verlauf der letzten zwölf Monate haben wir nicht nur den kompletten Lebenszyklus dieses komplexen Organismus bis ins Detail erfassen können, sondern wir haben auch Diagnoseverfahren entwickelt, die es ermöglichen, ausnahmslos jede Person zu erfassen, die dieses Virus in ihrem Körper trägt.
In einer vor sieben Monaten abgeschlossenen dreiwöchigen Testserie wurden alle Einwohner von New Eden untersucht. In diesem Zeitraum erwiesen sich sechsundneunzig Personen als RV-positiv. Seit dem Abschluss der Tests wurde nur ein neuer >Träger<-Fall bekannt. Inzwischen verzeichnen wir drei Todesfälle im Zusammenhang mit RV-41. Damit beträgt die jetzige Befallsziffer der Gesamtbevölkerung vierundneunzig.
RV-41 ist ein letales Retrovirus, das die Herzmuskulatur des Menschen befällt und sie unheilbar atrophieren lässt. Mit der Folge, dass der menschliche Wirt daran schließlich stirbt. Wir haben bisher kein Heilmittel gefunden. Aber wir experimentieren mit zahlreichen Verfahren, um die Krankheitsverläufe einzudämmen, und wir hatten in jüngster Zeit da auch schon gelegentliche, wenn auch nicht signifikante Erfolge. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand —wenn sich nicht ein durchschlagender Erfolg in unsrer Forschung einstellt — müssen wir bedauerlicherweise annehmen, dass alle von diesem Retrovirus befallenen Personen an seiner aggressiven Virulenz sterben werden.
Die Graphik im Projektionswürfel zeigt die einzelnen Stadien der Erkrankung. Das Retrovirus kann von einer Person auf die andere übertragen werden, wenn menschliche Körperflüssigkeiten in einer wie immer gearteten Kombination von Sperma und Blut ins Spiel kommen. Wir haben keinerlei Anzeichen dafür, dass andere Übertragungswege in Frage kommen könnten. Ich wiederhole ...«, sagte Dr. Turner fast brüllend, um sich gegen das Getöse auf der Zuschauergalerie Gehör zu verschaffen, »wir haben bisher keine andere Infektionsmöglichkeit entdecken können, außer jener über Sperma und Blut. Wir können nicht kategorisch erklären, dass andere Körperflüssigkeiten des Menschen — wie etwa Schweiß, Schleim, Tränenflüssigkeit, Speichel, Urin — keine Übertragungswege sein können, aber unsere bisherigen Forschungsergebnisse weisen doch sehr stark darauf hin, dass
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