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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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— The Bard — stakste herein, gekleidet in so eine Annäherung an einen mittelalterlichen Reitanzug, und unterrichtete Simone dahingehend, dass er Hen ry Plantagenet sei, König von England und Gemahl der Queen Eleanor. Simones Lächeln strahlte auf. Auch Katie sah hoch und grinste breit.
    »Die Königin und ich, wir haben ein großes Reich aufgebaut«, verkündete das Figürchen unter heftigen, weiten Armschwüngen. »Es umfasste schließlich ganz England, Schottland, Irland, Wales und die Hälfte dessen, was heute Frankreich ist.« TB rezitierte seinen vorbereiteten Sermon gekonnt, und sein Zwinkern und seine Gestikulation entzückten Simone und Katie enorm. Dann zog er ein Miniaturbesteck aus der Tasche und behauptete, dass er die zivilisierte Art, mit Messer und Gabel zu essen, den englischen Barbaren beigebracht habe.
    »Aber wieso hast du die Queen Eleanor ins Gefängnis gesteckt?«, fragte Simone, als der Roboter zu Ende geredet hatte. Ich lächelte. Die Kleine hatte meine Geschichtsstunde wirklich aufmerksam verfolgt. Der Roboter ließ den Kopf kreisen und schaute zu Richard. Der hob einen Finger, bat so um ein bisschen Geduld und stürzte auf den Gang hinaus. Nach kaum mehr als einer Minute kam TB, alias Henry II., zurück und wackelte auf Simone zu. »Ich habe mich in eine andre Frau verliebt«, sagte er, »und die Königin Eleanor war mir deswegen sehr böse. Und um mir eins auszuwischen, stachelte sie meine Söhne gegen mich auf ...«
    Richard und ich verbissen uns gerade in einen kleineren Streit darüber, was die wahren Gründe für den Kerkerbefehl Henrys gegen Eleanor gewesen seien (wir haben schon so oft feststellen müssen, dass man uns beiden sehr verschiedene Versionen der englisch-französischen Geschichte beigebracht hat), als wir ein fernes, aber unverkennbar eindeutiges Kreischen hörten. Sekunden später waren wir alle fünfe droben. Der Schrei wiederholte sich.
    Wir blickten in den >Himmel< über uns. Einige Hundert Meter über den Wolkenkratzern zog ein einzelner Rama- Vogel eine weite Bahn. Wir eilten zum Kai an der Zylindrischen See, um ihn besser zu sehen. Das gewaltige Geschöpf
    umkreiste ein-, zwei-, dreimal den Perimeter unserer Insel. Nach jeder Umkreisung stieß das Flugwesen einen einzigen langen Schrei aus. Richard fuchtelte mit den Armen und brüllte die ganze Zeit, aber nichts ließ darauf schließen, dass er Aufmerksamkeit erregt hätte.
    Nach einer Stunde etwa wurden die Kinder unruhig. Wir kamen überein, dass Michael sie in den Bau zurückführen sollte; Richard und ich würden solange hierbleiben, wie eine Kontaktaufnahme irgend möglich war. Der Vogel flog immer wieder im gleichen Schema. »Was meinst du, sucht er vielleicht irgendwas?«, fragte ich Richard.
    »Weiß ich nicht«, knurrte er und brüllte dann wieder in die Höhe und winkte dem Vogel zu, der bei seinem Kreisen uns inzwischen wieder am nächsten gekommen war. Und diesmal änderte er den Kurs und beschrieb weite, elegante Bögen, während er spiralig herabstieg. Als er näher kam, konnten wir beide den grausamtenen Bauch erkennen und die beiden hellen kirschroten Ringe um den Hals.
    »Aber das ist doch unser Freund«, flüsterte ich Richard ins Ohr. Ich erinnerte mich an den Anführer der Flug-Ramaner, der uns vor vier Jahren freundlicherweise über das Zylindermeer hatte transportieren lassen.
    Aber dieses Vogelwesen war nicht das gesunde, robuste Geschöpf, das an der Spitze der Formation geflogen war, als wir aus New York ent fl ohen. Der Vogel war dürr und wirkte verhungert, und der Samtflaum war schmutzig und ungepflegt. »Krank«, bemerkte Richard lakonisch, als der Vogel etwa zwanzig Meter von uns entfernt landete.
    Das Fluggeschöpf keckerte leise und ruckte nervös mit dem Kopf umher, als erwartete es noch andere. Richard machte einen Schritt auf den Vogel zu, aber der hob die Schwingen und schlug einmal damit nieder und wich ein paar Meter zurück. »Was haben wir an Nahrungsreserven«, fragte Richard leise, »das der chemischen Zusammensetzung der Manna- Melonen am nächsten kommt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir haben überhaupt nichts — außer dem Hühnchen von gestern Abend ... aber wart mal«, sagte ich, »wir haben doch diese grüne Pampe, die unsre Kinder so gern mögen. Und die sieht aus wie die Flüssigkeit im Innern der Manna-Melonen.«
    Richard war schon weg, ehe ich den Satz beendet hatte. Während seiner zehnminütigen Abwesenheit starrten der Vogel und ich einander schweigend

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