Die nächste Begegnung
Paradies landen oder in einem Nirwana oder sonst einer Anderwelt, aber sie werden irgendwann zugrunde gehen, und das Genmaterial, das sie in sich tragen, wird mit ihrem Tod verloren sein.
Aber angenommen — dachte ich weiter —, ich könnte einen Sohn gebären ... Dann hätten die beiden Mädchen einen
gleichaltrigen männlichen Gefährten, und das Problem der Generationenfolge wäre drastisch reduziert.
An diesem Punkt meiner Gedankenfolge kam mir sprunghaft etwas wirklich Verrücktes in den Sinn. Während meines Medizinstudiums hatte ich mich unter anderem besonders auf Genetik, insbesondere auf Erbschäden spezialisiert. Ich erinnerte mich an die Fallstudien über die europäischen Königshäuser vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert und an die zahlreichen >minderwertigen< Individuen, die durch exzessive Inzucht dabei entstanden. Wenn Richard und ich einen Sohn machen würden, hätte er ja die gleichen Genzusammensetzungen wie Simone und Katie. Und wenn dieser unser Sohn mit einem der beiden Mädchen wieder Kinder zeugte, wäre das Risiko, dass unsere Enkel erbgeschädigt wären, sehr hoch. Wenn aber Michael und ich ein männliches Kind zeugen würden, hätte dieses nur die Hälfte des genetischen Materials mit den Mädchen gemein, und dann — wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt — wäre das Defizienzrisiko für die von ihm mit Simone oder Katie gezeugten Kinder drastisch geringer.
Ich wies diesen empörenden Gedanken sofort weit von mir. Aber er kehrte wieder. Spät in der Nacht, als ich längst schlafen sollte, hakte sich mein Gehirn wieder an dem Problem fest. Wenn ich nun wieder von Richard schwanger werde, überlegte ich, und ich bekomme wieder ein Mädchen? Dann würde der ganze Prozess von vorn beginnen müssen. Und ich bin schon einundvierzig Jahre alt. Wie viele Jahre bleiben mir noch, ehe das Klimakterium einsetzt, selbst wenn ich es chemisch hinauszögern kann? Aufgrund der zwei bisherigen Datenpunkte gibt es bisher keinen Hinweis dafür, dass Richards Samen überhaupt einen Sohn zeugen könnte. Wir könnten ein Labor einrichten und männliche Spermien aus seiner Samenflüssigkeit aussondern, doch das würde gigantische Anstrengungen unsererseits erfordern und monatelange engste Interaktion mit den Ramanern. Und dann bliebe immer noch das Problem, wie das Sperma konserviert und wie es zu den Eierstöcken transportiert werden sollte.
Ich durchdachte die unterschiedlichen nachweislichen Methoden der Beeinflussung und Veränderung des natürlichen Selektionsprozesses, durch den das Geschlecht eines künftigen Kindes bestimmt wird (Diät des Mannes, Art und Häufigkeit des Sexualverkehrs, Timing des Befruchtungsversuchs entsprechend dem Ovulationszyklus etc.), und ich kam zu dem Schluss, dass Richard und ich wahrscheinlich eine gute Chance hätten, auf natürliche Weise ein männliches Kind zu bekommen, wenn wir sehr sorgfältig ans Werk gingen. Doch im Hintergrund meiner Gedanken hielt sich hartnäckig die Idee, dass die Chancen insgesamt noch besser stünden, wenn Michael der Vater wäre. Immerhin hatte er schon zwei Söhne (bei insgesamt drei Kindern) gezeugt, und das unter nicht kontrollierten Umständen. Und sosehr ich auch die Probabilitäten bei Richard vielleicht steigern konnte, bei Michael als Samenlieferanten würden die gleichen Techniken praktisch garantieren, dass das Kind männlichen Geschlechts würde.
Ehe ich wieder einschlief, überdachte ich kurz, wie ge ri ng die Chancen für eine praktische Durchführung dieser Idee waren. Wir würden eine >idiotensichere< Methode der künstlichen Befruchtung entwickeln müssen (die ich, auch wenn sie bei mir vorgenommen werden würde, zu überwachen hätte). Konnten wir das in unserer jetzigen Situation durchführen und sowohl das Geschlecht wie die Gesundheit des Emb ry os garantieren? Sogar daheim auf der Erde sind Kliniken, denen sämtliche Hilfsmittel zur Verfügung stehen, dabei nicht immer erfolgreich. Eine Alternative wäre der Geschlechtsverkehr mit Michael. Obwohl mir die Vorstellung nicht als abstoßend erschien, waren doch die soziologischen Weiterungen dermaßen vielschichtig, dass ich den Gedanken gänzlich aufgab.
Sechs Stunden später. Die Männer überraschten mich am Abend mit einem speziellen Dinner. Michael entwickelte sich allmählich zu einem recht guten Koch. Wie angekündigt, schmeckte das Essen wie >Filet Wellington<, auch wenn es eher wie Sahnespinat aussah. Meine Gastgeber servierten auch eine
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