Die nächste Begegnung
rötliche Flüssigkeit, die als >Wein< etikettiert war. Es schmeckte nicht sehr scheußlich, also trank ich davon und merkte dann zu meiner Verblüffung, dass es ein wenig Alkohol enthielt, denn ich wurde tatsächlich leicht besäuselt davon.
Am Ende des Mahls waren wir allesamt leidlich angeduselt. Die Mädchen, besonders Simone, fanden unser Verhalten merkwürdig. Beim Nachtisch — Kokosnuss-Pastete — erklärte Michael mir, dass 41 eine >sehr besondere Zahl< sei. Die höchste Primzahl, sagte er, auf der sich eine lange Quadratsequenz weiterer Primzahlen aufbaute. Als ich ihn fragte, was das sei, eine Quadratsequenz, lachte er und sagte, das wisse er nicht. Er kritzelte mir jedoch die Vierzig-Element-Folge hin, von der er sprach: 41, 43, 47, 53, 61, 71, 83, 97, 113... und am Schluss die Zahl 1601. Er versicherte mir, jede der vierzig Zahlen der Sequenz sei eine Prime. »Und deshalb«, sagte er mit leichtem Augenzwinkern, »muss einundvierzig einfach eine magische Zahl sein.«
Während ich noch lachte, besah sich unser Haus-Genie Richard die Zahlenreihe, und nachdem er kaum länger als eine Minute mit seinem Computer herumgespielt hatte, erklärte er Michael und mir, warum die Folge als >quadratisch< bezeichnet würde. »Die Zweitdifferenzen sind konstant«, sagte er und gab uns ein Beispiel. »Also kann die gesamte Sequenz durch eine einfache Quadratformel aufgebaut werden. Nehmen wir beispielsweise f(N)=N 2 -N+4i. Dabei soll N jede Ganzzahl zwischen 0 und 40 sein. Mit der Funktion könnt ihr die gesamte Sequenz schaffen. Aber es kommt noch besser! I. Er lachte. »Nehmt mal an, wir haben f(N)=N 2 -81N+1681, wobei N eine Zahl ist zwischen 1 und 80. Dabei beginnt die Quadratformel am Schwanzende eurer Zahlenreihe, also f(1) =1601 und verläuft zunächst in absteigender Reihe. Aber bei f(40)=f(41)=41 kehrt es sich um und baut dann eure ganze Zahlenreihe in aufsteigender Folge erneut auf.«
Richard lächelte, und Michael und ich starrten ihn in ehrfürchtiger Bewunderung an.
13-03-2205
Heute war Katies zweiter Geburtstag, und alle waren guter Laune, besonders Richard. Er mag seine kleine Tochter, obwohl sie ihn ganz schön um den Finger wickelt. Weil es ihr Geburtstag war, nahm er sie mit rüber an das Schachtloch der Oktarachniden, und sie rüttelten gemeinsam am Schachtdeckel. Michael und ich fanden das beide nicht sehr vernünftig, aber Richard lachte nur und zwinkerte Katie zu.
Zum Essen .spielte Simone eine Klavierpetitesse, die Michael ihr beigebracht hatte, und Richard stellte einen recht beachtlichen Wein auf den Tisch, den er als >Ramanischen Chardonnay< bezeichnete und der gut zu unserem >poschierten Lachs< passte. In Rama sieht der etwa so aus wie früher auf der Erde Rührei, was leidlich verwirrend ist, doch wir behalten st ri kt unsre Übereinkunft bei und bezeichnen unsere kulinarischen Kreationen ihrem Geschmack entsprechend.
Ich schwappe fast über vor Lebenslust, auch wenn ich mir selber eine leise Nervosität nicht verhehlen kann, wenn ich an die bevorstehende Diskussion mit Richard denke. Er ist derzeit sehr obenauf, hauptsächlich weil er jetzt eifrig arbeitet, nicht bloß an einem, sondern gleich an zwei >Großprojekten<. Er stellt nicht nur Gebräuvarianten her, die im Geschmack und Alkoholgehalt durchaus mit Qualitätsweinen des Planeten Erde konkurrieren könnten. Er baut auch eine neue Truppe von zwanzig Zentimeter großen Robotern auf, die den Figuren aus den Stücken Samuel Becketts nachempfunden sind, eines Literaturnobelpreisträgers im 20. Jahrhundert. Michael und ich haben mehrfach versucht, Richard zu bewegen, dass er seine robotische Shakespeare-Truppe wieder aufbaut, seit Jahren vergeblich, die Erinnerung an seine verlorenen Freunde macht es ihm unmöglich. Aber ein neuer Bühnenautor ... das ist was ganz anderes. Die vier Personen von >Endspiel< hat er bereits fertig. Die Kinder lachten heute Abend ganz abgefeimt, als die alten Leutchen >Nagg< und sich aus den Miniatur-Mülltonnen schoben und riefen: »Mein Paps. Ich will meinen Paps.«
Ich habe mich endgültig entschlossen, Richard meine Idee vorzulegen, dass Michael der Vater meines Sohnes sein könnte. Er wird — da bin ich mir ganz sicher — die wissenschaftliche Logik des Vorschlages anerkennen, aber ich darf wohl nicht erwarten, dass er schrecklich begeistert davon sein wird. Und natürlich habe ich Michael gegenüber noch kein Wort in der Richtung verloren. Er hat zwar gemerkt, dass ich mich mit einem
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