Die nächste Begegnung
angeblich logischen Gründen wäre, das machte mich fast verrückt. Ich weiß, rational ist das Unsinn, aber ich hatte scheußliche Angst, es könnte dir mit ihm Spaß machen — verstehst du? Und dass dabei unsere Beziehung irgendwie beeinträchtigt werden könnte.«
Richard nahm offensichtlich an, ich hätte die Absicht auf ein Kind von Michael aufgegeben. In dieser Nacht brachte ich das Thema nicht wieder aufs Tapet, denn auch ich war in diesem Augenblick erfüllt und zufrieden. Einige Tage später jedoch ertappte ich mich dabei, dass ich in meinen Medizinbüchern über Impotenz nachlas, und mir wurde klar, dass ich immer noch entschlossen war, meinen Plan durchzuführen.
In der Woche vor meiner neuen Ovulation war Richard eifrig mit seinem neuen Wein beschäftigt (und wahrscheinlich >probierte< er ihn auch etwas häufiger als nötig, denn mehr als einmal erschien er leicht betrunken zum Abendessen) und schub kleine Roboter nach Figuren aus Samuel Becketts Stücken. Mein Interesse kreiste um männliche Impotenz. Im Studienplan war das Gebiet praktisch unterschlagen worden. Und da meine persönlichen Sexualerfahrungen vergleichsweise begrenzt waren, war ich damit persönlich vorher noch nie in Berührung gekommen. Erstaunt erfuhr ich, dass Impotenz ein extrem häufiges Leiden ist, primär psychologischer Natur, sehr oft jedoch auch mit einer verschärfenden körperlichen Komponente zusätzlich, und dass es zahlreiche gut dokumentierte Therapiemaßnahmen gebe, die allesamt darauf abzielen, die >Leistungsangst< des Mannes zu verringern.
Richard überraschte mich eines Morgens dabei, wie ich die Urinprobe für den Ovulationstest vorbereitete. Er sagte nichts, aber ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass er verletzt und enttäuscht war. Ich hätte ihn gern getröstet, aber die Kinder waren im Raum, und ich fürchtete, er könnte eine Szene machen.
Ich sagte Michael nichts davon, dass ich einen Zweitversuch plante. Ich überlegte mir, dass seine Angst vielleicht nicht so stark sein würde, wenn er keine Zeit hatte, vorher darüber nachzudenken. Mein Plan klappte fast. Ich ging mit Michael, nachdem wir die Kinder schlafen gelegt hatten, auf sein Zimmer und erklärte ihm die Sache. Wir zogen uns aus. Er bekam eine leichte Erektion, und ich ging trotz seiner leisen Proteste rasch ans Werk, um sie zu erhalten. Ich bin sicher, hätte nicht in diesem Moment Katie zu schreien begonnen: »Mami, Mami!« — wir hätten Erfolg gehabt, denn wir waren gerade so weit, den Koitus zu beginnen.
Natürlich trennte ich mich von Michael und raste durch den Gang zum Kinderzimmer. Richard war bereits da und wiegte Katie in den Armen. Simone saß aufrecht auf ihrer Schlafmatte und rieb sich die Augen. Alle drei starrten mich an, da ich nackt in der Tür stand. »Ich hab so schrecklich geträumt«, schluchzte Katie und presste sich eng an Richards Brust. »Da war ein Okto und wollte mich fressen.«
Ich ging ins Zimmer. »Und, geht's dir jetzt schon wieder gut?«, fragte ich und wollte sie aufnehmen. Aber Richard ließ sie nicht los, und auch sie wollte nicht zu mir kommen. Nach einer peinlichen Pause ging ich zu Simone und legte ihr den Arm um die Schulter.
»Wo hast du denn deinen Schlafanzug, Mutter?«, fragte meine Vierjährige. Richard und ich tragen meist nachts unsere ramanische Version von Pyjamas. Die Mädchen sind an meine Nacktheit durchaus gewöhnt — wir duschen praktisch jeden Tag zu dritt —, doch nachts, wenn ich ins Kinderzimmer komme, hab ich fast immer den Schlafanzug an.
Ich wollte Simone gerade eine schnippische Antwort geben, als ich merkte, dass auch Richard mich anstarrte. Seine Augen blickten unverkennbar feindselig. »Ich schaff das hier schon«, sagte er scharf. »Warum gehst du nicht und führst zu Ende, womit du — beschäftigt warst?«
Also kehrte ich zu Michael zurück, um noch einen Versuch koitaler Penetration und erhoffter Empfängnis zu unternehmen. Eine üble Entscheidung. Ich versuchte vergeblich mehrere Minuten lang, Michael zu erregen, dann stieß er meine Hand fort. »Es hat keinen Zweck«, sagte er. »Ich bin fast dreiundsechzig, und ich hab seit fünf Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt. Ich masturbiere nie und bemühe mich gezielt, nie an Sex zu denken. Die Erektion vorhin war nichts als ein kurzer glücklicher Zufall.« Danach schwieg er fast eine Minute lang, ehe er sagte: »Es tut mir leid, Nicole, aber es kann einfach nicht funktionieren.«
Wir lagen mehrere Minuten
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