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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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schwerwiegenden Problem herumschleppe, weil ich ihn gebeten habe, heute Nachmittag die Mädchen zu übernehmen, während Richard und ich nach oben gehen — zu einem Picknick und einem Gespräch.
    Möglicherweise ist meine Nervosität wegen dieser Sache unbegründet. Zweifellos basiert sie auf einem Anstands- und Moralkodex, der schlicht und einfach für unsere jetzige Lage keine Gültigkeit mehr besitzt. Richard ist in letzter Zeit in Hochstimmung. Sein Witz ist neuerdings wieder sehr zupackend und scharf. Wahrscheinlich wird er mir bei unserem Gespräch ein paar Schmisse beibringen, doch ich möchte wetten, dass er am Ende zustimmt.

    8
    07 -05-2205
    Dies war der >Frühling unsres Missvergnügens<. Ach, Himmel, was sind wir Sterbliche doch für Narren ... Richard, Richard, bitte komm zurück!
    Wo soll ich anfangen? Und wie? Wag ich's 'nen Pfirsich zu essen? In einer Minute sind Visionen und Kritik der Visionen, die eine Winzigkeit ... Nebenan spielen Michael und Simone hopp und ho! — und reden über Michelangelo.
    Mein Vater hat immer zu mir gesagt, alle Menschen machen Fehler. Aber wieso muss meiner grade dermaßen kolossal sein? Die Idee war doch wirklich sehr vernünftig. Mein Linkshirn sagte, sie sei absolut logisch. Aber tief drunten in den Grüften menschlicher Wesenheit geht eben nicht immer die Vernunft als Siegerin hervor. Und Emotionen sind nun mal nicht rational zu steuern. Und Eifersucht ist nicht das Ergebnis eines Computerprogramms.
    Es gab zahlreiche Sturmwarnungen. An jenem ersten Nachmittag über dem Zylindermeer, als wir unser >Picknick< hatten, sah ich schon an Richards Augen, dass da ein Problem auf der Lauer lag. Oje, Nicole, sagte ich zu mir, halt dich besser zurück.
    Später dann wirkte er aber so vernünftig. Er sagte: »Selbstverständlich ist das, was du vorschlägst, vom genetischen Gesichtspunkt aus ganz richtig. Ich werde auch mit dir kommen und es Michael sagen. Aber bringen wir das so rasch wie möglich hinter uns, und hoffen wir, dass einmal genügt und nicht weitere Kontakte nötig sind.«
    In dem Augenblick fühlte ich mich wie auf Wolken. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass Michael bockig werden könnte. »Das wäre eine Sünde«, sagte er abends, als wir die Mädchen schlafen gelegt hatten, gleich nachdem er begriffen hatte, was wir ihm da vorschlugen.
    Richard ergriff die Offensive. Er argumentierte, das ganze religiöse Konzept von >Sünde< sei sogar auf der Erde längst obsolet, und er, Michael, sei ganz einfach zimperlich und ziere sich. Und dann fragte Michael am Ende der Diskussion Richard direkt: »Willst du wirklich, dass ich es mache?«
    Und nach kurzem Zögern sagte Richard: »Nein, aber es dient eindeutig dem besten Interesse unserer Kinder.« Ich hätte dem >Nein< damals wohl mehr Gewicht beimessen sollen.
    Der Gedanke, dass mein Plan fehlschlagen könnte, ist mir nie gekommen. Ich verfolgte sehr genau meinen Ovulationszyklus. Als die >passende< Nacht dann kam, sagte ich das Richard, und er schlich sich demonstrativ aus der Höhle und ging auf eine seiner langen Wanderungen oben in Rama. Michael war nervös und hatte mit seinen Schuldgefühlen zu kämpfen, aber selbst in meinen übelsten Katastrophenvorstellungen hatte ich mir nicht ausgemalt, dass er zum Sexualkontakt mit mir nicht fähig sein könnte.
    Nachdem wir uns ausgezogen hatten (ohne Licht, damit Michael sich nicht genierte) und nebeneinander auf den Schlafmatten lagen, entdeckte ich, dass sein Körper verkrampft und wie aus Eis war. Ich küsste ihn auf die Stirn und auf die Wangen. Dann versuchte ich ihn zu lockern, indem ich ihm Nacken und Rücken massierte. Nach etwa einer halben Stunde derartiger Berührungsmassage (nichts davon hätte man als >sexuelles Vorspiel< bezeichnen können) drängte ich meinen Leib einladend an ihn. Aber es gab da unverkennbar ein Problem: Sein Penis war noch immer vollkommen schlaff.
    Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Mein erster, natürlich völlig unrationaler Gedanke war, dass Michael mich nicht attraktiv fände. Mir war scheußlich zumute, wie wenn jemand mich ins Gesicht geschlagen hätte. Sämtliche Minderwertigkeitsgefühle brachen wieder herauf, und ich wurde verblüffend wütend. Zum Glück sagte ich nichts (wir sprachen beide kein Wort während der ganzen Zeit) , und im Dunkeln konnte Michael mein Gesicht nicht sehen. Aber mein Körper muss wohl meine Enttäuschung ausgedrückt haben.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise.
    »Ach, macht nichts«,

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