Die nächste Begegnung
beschloss, einfach einmal so als Anhalter ins Verwaltungsmodul >mitzufahren<. Es schauderte Nicole jetzt noch. Richard und sie waren in den Vorraum ihres Wohntrakts gegangen, wo sie ihn von der Idee abzubringen versuchte, während er ungerührt den Raumanzug anlegte. Er hatte sich eine Methode ausgetüftelt, wie er den Tür-Monitor überlisten konnte (am Tag darauf war da ein neues, absolut sicheres System installiert), und er brannte vor Ungeduld, sich end li ch einmal ohne Aufsicht umzusehen.
In dieser Nacht hatte Nicole kaum ein Auge zugetan. In den frühen Morgenstunden hatte ihr Lichtpaneel signalisiert, dass jemand oder etwas sich im Vorraum aufhält. Als sie das auf dem Monitor überprüfte, zeigte sich da ein fremdartiger Vogelmensch, der ihren Mann im Arm trug. Und dies war der erste Kontakt mit dem >Adler< gewesen ...
Der Anfahrtsschub des Tubus presste sie momentan gegen die Rücklehne und holte Nicole in die Gegenwart zurück. Sie schossen vom Techno-Modul weg, und in weniger als einer Minute rasten sie mit Höchstgeschwindigkeit durch den langen, extrem engen Zylinder, der die Module verband.
Die Medianlinie und vier Tubusspuren lagen in der Mitte der Röhre. Rechts von ihnen, weit entfernt, leuchteten die Lichter der Kugel des Verwaltungsmoduls vor dem blauen Hintergrund des Weltraums. Katie hatte ihr Minifernglas hervorgeholt. »Ich will nichts verpassen«, sagte sie. »Die fahren da immer so schnell vorbei.«
Ein paar Minuten später verkündete sie: »Jetzt kommt es!« Die drei Frauen drückten sich an die rechte Seite ihres Vehikels. Weit vor ihnen kam auf der gegenüberliegenden Spur ein anderer Tubus entgegen. Augenblicke später war der Gegenzug da, und die Menschen hatten knapp eine Sekunde lang Gelegenheit, zu den Insassen des Fahrzeugs hinüberzustarren, das in Gegenrichtung zum Tech-Mod raste.
Wozu!«, sagte Katie, als die Tubusse aneinander vorbeizischten.
»Da waren zwei verschiedene Typen drin«, sagte Simone. »Acht, vielleicht insgesamt zehn.«
»Eine Gruppe war rosa, die andre golden. Beide überwiegend kugelförmig.«
»Und diese langen fadenartigen Tentakeln ... Was glaubst du, Mam, wie groß waren die deiner Meinung nach?«
»Vielleicht fünf, sechs Meter im Durchmesser«, sagte Nicole. »Jedenfalls weitaus größer als wir.«
» Wozu!«, bemerkte Katie noch einmal. »Also, das war wirklich mal richtig wuchtig!« Ihre Augen glitzerten vor Aufregung. Dieses Mädchen genoss es geradezu, wenn ihr das Adrenalin durch den Körper strömte .. .
Aber ich hab doch selber auch nie aufhören können, mich zu wundern und zu fragen, dachte Nicole. Nicht einmal in diesen dreizehn Monaten. Aber ist das alles? Steckt nicht mehr dahinter ? Hat man uns s000 weit von der Erde geholt, nur damit wir getestet werden können? Damit wir in prickelnde Erregung geraten, weil es da Wesen von anderen Welten gibt ? Oder verbirgt sich hinter dem Ganzen ein andrer, ein verborgener Sinn?
Sie schwiegen, während ihr Tubus weiterraste. Dann zog Nicole, die zwischen beiden saß, ihre Töchter eng an sich. »Ihr wisst doch, dass ich euch liebe?«, sagte sie.
»Ja, Mutter.« Es war Simone, die antwortete. »Und wir lieben dich auch.«
2
Das Fest ihrer Wiedervereinigung wurde ein Erfolg. Benjy umarmte seine geliebte Simone stürmisch, kaum hatte sie d as Apartment betreten. Und keine Minute später hatte Katie Patrick auf den Rücken geworfen.
»Da siehste's«, sagte sie, »ich krieg dich noch immer unter.« »Aber bloß knapp«, erwiderte Patrick. »Ich werd immer stärker. Pass bloß auf.«
Nicole umarmte Richard und Michael, und dann kam Klein-Ellie und stürzte sich ihr in die Arme. Es war Abend, zwei Stunden nach dem Essen (nach der 24-Stunden-Uhrzeit, an die sich die Familie hielt) , und Ellie war schon fast bettreif, als die Mutter und die Schwestern zurückkehrten. Nachdem sie Nicole voll Stolz bewiesen hatte, dass sie inzwischen >Katze<, >Hund< und >Junge< lesen konnte, stakste die Kleine über den Gang in ihr Zimmer.
Die Großen erlaubten Patrick, noch zu bleiben, bis er erschöpft war, dann brachte Michael ihn zu Bett, und Nicole deckte ihn zu. »Ich bin froh, dass du wieder da bist, Mami«, sagte er. »Du hast mir sehr gefehlt.«
»Du mir auch«, erwiderte Nicole. »Ich denke, ich werde nun nicht mehr so lange fort sein.«
»Das hoffe ich aber sehr«, sagte der Sechsjährige. »Ich hab dich lieber hier.«
Um ein Uhr morgens schliefen alle, außer Nicole. Sie war nichtmüde. Immerhin, sie
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