Die nächste Begegnung
hatte ja gerade erst eine fünfwöchige Schlafperiode beendet. Nach einer ruhelosen halben Stunde an Richards Seite entschloss sie sich zu einem >Spaziergang<.
Das Apartment selbst besaß keine Fenster, doch das kleine Atrium neben dem Eingang besaß ein Außenfenster mit einem atemberaubenden Blick auf die beiden anderen Vertices des Nodus. Nicole trat ins Atrium, stieg in ihren Raumanzug und trat vor die Außentür. Sie öffnete sich nicht. Nicole lächelte in sich hinein. Vielleicht hat Katie doch recht. Vielleicht sind wir hier nur Gefangene. Bereits im Frühstadium ihres Aufenthaltes war ihnen klar geworden, dass die Tür nach draußen immer wieder einmal verschlossen war: Der Adler hatte das als >nötig< erklärt, um zu verhindern, dass sie Dinge sähen, die sie >nicht verstehen< könnten.
Nicole schaute aus dem Fenster. Soeben näherte sich ein Shuttle von ähnlicher Gestalt wie jene Fähre, in der sie vor dreizehn Monaten zum Nodus gebracht worden waren, dem Transportzentrum des Habitat-Moduls. Und was für wundersame Kreaturen sind da wohl drin ?, dachte Nicole. Und sind die genauso verblüfft wie wir, als wir hier ankamen?
Nie würde sie die ersten Eindrücke vergessen können, die sie vom Nodus empfing. Nachdem sie aus der Zwischenstation abtransportiert worden waren, hatte die ganze Familie angenommen, man werde in ein paar Stunden am nächsten Bestimmungsort anlangen. Das war ein Irrtum. Der Abstand zu dem erleuchteten Rama hatte langsam zugenommen, bis sie nach sechs Stunden Rama zur Linken überhaupt nicht mehr sehen konnten. Die Lichter der Station hinter ihnen wurden schwächer. Sie waren alle sehr müde, und schließlich waren sie alle eingeschlafen.
Katie, wer sonst, weckte sie alle auf. »Ich kann sehen, wo wir hinfliegen!«, hatte sie t ri umphierend in aufgeregter Rücksichtslosigkeit gebrüllt. Sie zeigte zum Bugfenster des Shuttle hinaus, etwas nach rechts, wo eine starke wachsende Lichtquelle sich dreizuteilen begann. Im Verlauf der folgenden vier Stunden wuchs das Bild des Nodus immer größer an. Aus dieser Entfernung war es ein ehrfurchtgebietender Anblick, ein gleichseitiges Dreieck mit leuchtenden transparenten Kugeln an den drei Spitzen. Aber welche Ausmaße! Nicht einmal die Erfahrung in Rama hatte sie auf die Majestät dieser unglaublichen technischen - Leistung vorbereiten können. Die drei Seitenlinien waren eigentlich lange Transport-/Verkehrsverbindungen zwischen den drei kugelförmigen Modulen und — über hundertfünfzig Kilometer lang. Und die Kugelgebilde an jedem Vertex hatten einen Durchmesser von fünfundzwanzig Kilometern. Und selbst aus dieser großen Entfernung konnten die Menschen auf vielen der abgesetzten Ebenen im Innern der Module Aktivität ausmachen.
»Und was passiert jetzt?«, hatte Patrick Nicole besorgt gefragt, als ihre Fähre den Kurs änderte und auf einen der Dreiecksschnittpunkte zustrebte.
Nicole hatte Patrick in die Arme genommen und gesagt: »Das weiß ich nicht, Liebling.« Und leise: »Wir können nur abwarten und sehen, was kommt.«
Benjy war völlig sprachlos vor Staunen. Er hatte stundenlang das große, leuchtende Dreieck im Raum angestarrt. Simone stand oft bei ihm und hielt ihn bei der Hand. Als das Shuttle zum Anflug auf eine der Kugeln einschwenkte, spürte sie, wie seine Muskeln sich spannten. »Hab keine Angst, Benjy«, sagte Simone beruhigend, »alles wird gut.«
Ihr Shuttle war in einen engen Einflugkorridor in der Kugel geflogen und hatte dann am Rande des Transport-Centers an einem Liegeplatz angedockt. Vorsichtig war die Familie mitsamt ihrem Gepäck und Richards Computer ausgestiegen.
Danach war das Shuttle sofort wieder abgeflogen, was sogar die Erwachsenen ein wenig nervös machte. Eine knappe Minute später hörten sie alle zum ersten Mal die körperlose Stimme.
»Willkommen«, sagte sie. »Ihr seid im Habitations-Modul. Geht geradeaus und stellt euch vor die graue Wand.«
»Woher kommt die Stimme?«, fragte Katie. Es schwang die Furcht mit, die sie alle empfanden.
»Von überall«, antwortete Richard. »Sie ist über uns, um uns, auch unter uns.« Sie suchten Wände und Decke mit den Blicken ab.
»Aber wieso spricht der Englisch?«, fragte Simone weiter. »Sind denn noch andre Menschen hier?«
Richard lachte nervös. »Unwahrscheinlich. Aber bestimmt hatten die hier Kontakt zu Rama, und sie haben einen zentralen Sprachalgorithmus. Ich möchte wissen ...«
»Bitte weitergehen«, unterbrach die Stimme. »Ihr seid in
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