Die nächste Begegnung
gehalten haben —, wird alles, was ich an Freude fühlen werde, neu und darum wunderbar sein.«
Nicole lächelte mit tränenfeuchten Augen diese erstaunlich reife Dreizehnjährige an, die ihre Tochter war. »Du bist wirklich ein echter Schatz«, sagte sie.
»Danke, Mama«, erwiderte Simone und umarmte die Mutter. »Und denk dran, meine Vermählung mit Michael hat Gottes Segen. Und bei allen Problemen, die uns bevorstehen, werden wir Gott um seine Hilfe bitten. Es wird alles gut sein.«
Urplötzlich überfiel Nicole tiefer Kummer. Nur noch eine Woche, flüsterte eine Stimme in ihrem Innern, und danach wirst du dieses wundervolle, geliebte Kind nie wiedersehen! Und sie drückte Simone weiter fest an sich, bis Richard an die Tür klopfte und verkündete, alle seien bereit für die Zeremonie.
8
»Guten Morgen«, sagte Simone mit einem weichen Lächeln. Alle anderen saßen bereits um den Tisch beim Frühstück, als sie Hand in Hand mit Michael hereinkam.
»Gu-ten Mo-rrgen«, erwiderte Benjy. Er hatte den Mund voll gebuttertem Toast mit Konfitüre. Er wuchtete sich von seinem Platz hoch, stapfte langsam um den Tisch herum und umarmte seine Lieblingsschwester.
Patrick folgte dicht hinter ihm. »Hast du heut endlich Zeit, mir bei meiner Mathe zu helfen?«, fragte er Simone. »Mutter hat gesagt, wo wir jetzt zurückgehen, muss ich mich mit dem Lernen mehr anstrengen.«
Als die Jungs wieder auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, setzten auch Simone und Michael sich an den Tisch. Simone griff nach der Kaffeekanne. In der Beziehung war sie wie ihre Mutter. Sie kam morgens nicht in Gang, wenn sie nicht zuvor ihren Kaffee bekam.
»Also? Sind die Hoch-Zeiten endlich vorbei?«, fragte Katie in gewohnter brutaler Direktheit. »Immerhin dauert das jetzt schon drei Nächte und zwei Tage. Ihr müsst doch inzwischen jeden Fetzen klassische Musik aus dem Datenspeicher gehört haben.«
Michael lachte zufrieden. »Ja, Katie.« Er lächelte Simone herzlich zu. »Wir haben das Bitte-nicht-stören-Schild an unsrer Tür weggenommen. Und wir wollen so viel wie möglich allen beim Packen für die Reise helfen.«
»Eigentlich sind wir ganz gut im Plan«, sagte Nicole beiläufig. Sie war froh, dass Michael und ihre Tochter nach der langen Klausur so ungezwungen miteinander umgingen. Ich hätte mir also doch keine Sorgen zu machen brauchen, dachte sie hastig. In mancher Hinsicht ist Simone weit erwachsener als ich.
»Ich wollte, dass der Adler uns mehr und Genaueres über unsere Heimreise sagen würde«, maulte Richard. »Er sagt einfach nicht, wie lang der Flug dauern wird, ob wir die ganze Zeit im Schlaftank liegen oder nicht ... überhaupt nichts Definitives sagte er.«
»Er hat gesagt, dass er das a ll es nicht mit Bestimmtheit sagen kann«, erinnerte Nicole ihren Gemahl. »Es gebe da unkontrollierbare Variablen, die zu vielen unterschiedlichen Szenarien führen könnten.«
»Ach, du glaubst dem ja immer jedes Wort«, entgegnete Richard. »Du bist das vertrauensseligste ...«
Das Türzeichen unterbrach sie. Katie ging an die Wohnungstür und kehrte gleich darauf mit dem Adler zurück. »Hoffentlich störe ich euch nicht beim Frühstück«, sagte der Vogelmensch höflich. »Aber wir müssen heute noch eine Menge erledigen. Ich werde darauf bestehen müssen, dass Mrs Wakefield gleich mit mir kommt.«
Nicole trank ihren Kaffee aus, dann schaute sie den Adler prüfend an. »Allein?«, fragte sie. Sie war sich eines unbestimmten Angstgefühls bewusst. In den ganzen sechzehn Monaten ihres Aufenthaltes im Nodus war sie niemals allein mit dem Adler irgendwohin gegangen.
»Genau«, sagte der Adler. »Du wirst allein mit mir gehen. Es gibt da eine besondere Aufgabe, die nur du erledigen kannst..
»Hab ich 'ne Minute Zeit, ehe ...?«
»Aber gewiss doch«, erwiderte der Adler.
Während Nicole draußen war, pfefferte Richard dem Adler eine Kanonade von Fragen hin. Irgendwann sagte er schließlich: »Okay, ich verstehe, d as s nach all diesen Tests ihr mittlerweile zuversichtlich annehmt, dass wir während der Beschleunigungs- und Bremsphasen gefahrlos im Tiefschlaf bleiben können. Aber was ist mit dem Normalflug? Sind wir da wach oder schlafen wir?«
»Überwiegend schlaft ihr«, antwortete der Adler. »Denn so können wir gleichzeitig euren physiologischen Alterungsprozess hinausschieben und euren Gesundheitszustand stabil halten. Aber der Plan enthält viele Unsicherheitsfaktoren. Es könnte sich als nötig erweisen, euch unterwegs
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