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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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gesagt, als er sie fragte, ob sie ihn wirklich — wirklich — ehelichen wolle — und wenn, warum. Das weiche Bild Simones überlagerte die langsam verblassende Erinnerung an den Abschied von Kathleen. Du bist so unschuldig und so voll Zutrauen, Simone, daheim auf der Erde würdest du nicht mal mit Jungs ausgehen, man würde dich immer noch für ein Kind halten .. .
    In Sekundenschnelle zuckten die dreizehn Jahre in Rama ihm durch den Kopf. Der Kampf bei Simones Geburt— und der herrliche Augenblick, als sie zu brüllen anfing und er sie ihrer Mutter behutsam auf den Bauch gelegt hatte. Das nächste Bild war das einer sehr jungen Simone, eines sehr ernsten etwa sechsjährigen Kindes, das unter Michaels Anleitung eifrig den Katechismus studierte. Dann sah er Simone beim Seilhüpfen mit Katie, und sie sang ein fröhliches Lied. Das letzte flüchtige Bild war von einem Familien-Picknick am Strand des Zylindermeeres. Da stand Simone stolz aufgerichtet neben Benjy, als wäre sie sein Schutzengel.
    Aber sie war schon eine junge Frau, als wir im Nodus ankamen, dachte General O'Toole, und seine Erinnerung schweifte zu Bildeindrücken aus jüngeren Tagen. Von tiefer Frömmigkeit. Voll selbstloser Geduld mit den jüngeren Kindern. Und keiner hat je ein solches Lächeln bei Benjy hervorzaubern können wie sie.
    Allen diesen Bildern von Simone lag ein gemeinsamer Tenor zugrunde: Sie waren überstrahlt von der ungewöhnlichen Liebe, die er für seine kindliche Braut empfand. Es war nicht die Art von Liebe, wie sie ein Mann normalerweise der Frau entgegenbringt, die er heiraten will — es war eher so etwas wie anbetende Verehrung. Aber Liebe war es trotz allem, und diese Liebe hatte das ungleiche Paar mit einem starken Band zusammengeschmiedet.
    Ich bin ein äußerst glückbegünstigter Mensch, dachte Michael, während er seine Kleidung in Ordnung brachte. Gott in SEINER Güte hat es für richtig befunden, mir SEINE Wunder auf vielfältige Weise zu zeigen.
    Auf der anderen Seite des Apartments, in ihrem und Richards Schlafzimmer, half Nicole Simone beim Ankleiden. Es war kein Brautkleid im klassischen Sinne, doch es war weiß, mit zahlreichen Bändchen über den Schultern. Jedenfalls war es eindeutig nicht das Alltagsoutfit, das die Familie gewöhnlich trug.
    Sorgsam steckte Nicole die Kämme in das lange schwarze Haar ihrer Tochter und prüfte die Wirkung im Spiegel. »Du siehst schön aus«, sagte Nicole.
    Dann blickte sie auf die Uhr. Es blieben ihnen noch zehn Minuten. Bis auf die Schuhe war Simone fertig angezogen. Gut, jetzt können wir gehen, dachte Nicole. »Liebes«, begann sie und war erstaunt, dass ihr die Stimme fast in der Kehle steckenblieb.
    »Was ist denn, Mutter?«, fragte Simone heiter. Sie saß neben Nicole auf dem Bett und zog sich sorgsam die schwarzen Schuhe an.
    »Als wir letzte Woche miteinander über Sex gesprochen haben«, setzte Nicole erneut an, »haben wir einige Einzelheiten dabei nicht berührt.« Simone blickte ihrer Mutter aufmerksam ins Gesicht. Sie wirkte so gespannt, dass Nicole momentan vergaß, was sie sagen wollte. »Hast du die Bücher gelesen, die ich dir gab?«, stammelte sie schließlich.
    Ein Stirnrunzeln verriet Simones Verwirrung. »Aber sicher«, antwortete sie. »Darüber haben wir doch gestern schon gesprochen.«
    Nicole ergriff Simone bei den Händen. »Michael ist ein wunderbarer Mann«, sagte sie. »Freundlich, rücksichtsvoll, liebevoll — aber er ist schon älter. Und wenn Männer älter werden...«
    »Ich bin mir nicht sicher, dass ich dich verstehe, Mutter«, unterbrach Simone sanft. »Ich dachte, du wolltest mir was über Sex sagen.«
    »Also, was ich dir zu erklären versuche«, sprach Nicole nach einem tiefen Atemzug weiter, »ist dies: Du wirst vielleicht mit Michael sehr geduldig und behutsam sein müssen — im Bett, meine ich. Vielleicht funktioniert nicht alles zu Beginn gleich richtig.«
    Simone blickte ihre Mutter lang an. »Das hatte ich vermutet«, sagte sie schließlich ruhig. »Wegen der Nervosität, mit der du das Thema angehst, aber auch aus einer gewissen verhohlenen Ängstlichkeit, die ich an Michael gespürt und in seinem Gesicht gesehen habe. Mach dir keine Sorgen, Mutter. Ich habe keine unvernünftig hohen Erwartungen. Zunächst einmal heiraten wir ja nicht aus dem Verlangen nach geschlechtlicher Befriedigung. Und da ich überhaupt keinerlei Erfahrung diesbezüglich habe — außer dass wir uns in dieser vergangenen Woche ab und zu an den Händen

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