Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
jemand stolpert.»
Habe mich damals tierisch geschämt, aber Elisa meinte, ihr Freund Tom sei noch schlimmer. Der hat sich offenbar schon mal so sehr um eine Diskussion herumgedrückt, dass er am Ende mit Elisas Mops zu einem Foto-Shooting nach Montenegro fahren musste. Und dass nur, weil er Angst vor einer verbalen Auseinandersetzung hatte. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte, denn mit einem Mops zu reisen war ihrem Freund dermaßen peinlich, dass er Elisa seitdem geradezu an den Lippen hängt, sobald sie etwas sagt.
Eventuell sollte ich mir auch einen Hund anschaffen.
12 Uhr 50 . Nur mal so ins Blaue gesponnen: Ich könnte doch theoretisch jetzt hier schnell wieder abhauen, meinen Koffer zurückverlangen und mir ein Bahnticket holen, oder? Aber wer weiß, vielleicht hat das Bodenpersonal meinen Koffer längst auf einem dieser Zuckelwagen verstaut, und es würde Stunden dauern, ihn dort zu identifizieren. Mal abgesehen davon, dass die Maschine erst später losfliegen könnte und höchstwahrscheinlich eine neue Starterlaubnis bräuchte. Falls dann etwas passiert, weiß ich jetzt schon, wer dafür die Schuld bekäme.
«Eine Boeing
737
wurde beim Start in Hamburg von einem Scherwind erwischt»
, höre ich bereits im Geiste den Nachrichtensprecher mit belegter Stimme sagen
. «Sie stürzte auf das Flughafengebäude und riss
580
Menschen in den Tod. Gesucht wird eine gewisse Nella Johannsen, die den verzögerten Start zu verantworten hat.»
O Gottogott! Nein, an so einer Katastrophe möchte ich nun wirklich nicht die Schuld tragen.
12 Uhr 54 . Ich glaube, ich bekomme schlecht Luft. Wo habe ich nur das Fläschchen mit den Tropfen? Scheint mir an der Zeit für die zweite Dosis. Dazu hätte ich jetzt allerdings gern einen Schluck Wasser. Vielleicht gehe ich mal ein paar Schritte und hole mir an der kleinen Bar eine Flasche Evian.
12 Uhr 56. Hilfe! Es ist definitiv Zeit für die Medizin. Habe schon Halluzinationen. Oder aber an der Bar steht tatsächlich Erol Sander!
13 Uhr 00. Nach dreimaligem Öffnen und Schließen der Augen festgestellt: Er ist immer noch da. Steht lässig an eine Säule gelehnt, liest die
Süddeutsche
und sieht dabei fast ein bisschen aus wie Paul Rosen. Nur besser. Außerdem würde der vermutlich eher im Orion-Katalog blättern. Bäh!
13 Uhr 05 . Ja, es ist wirklich Erol Sander. Ich Glückspilz!
Boah, sieht der gut aus. Viel besser als im Fernsehen. Wusste gar nicht, dass der mir so gut gefällt!
13 Uhr 07 . Wirklich albern, wie mein neuer Hausarzt versucht, Erol Sander zu kopieren. Erinnere mich an seinen hypnotischen Blick am Mittwoch Dabei kann Paul Rosen dem nie im Leben das Wasser reichen.
13 Uhr 10 . Oh Schreck, jetzt wird es ernst. Boarding!!! Schnell leere ich das Fläschchen mit der Medizin, und zwar ohne Wasser. Schließlich hätte ich mich ja schlecht der Bar nähern können, ohne dass Erol Sander sich angebaggert fühlt. Das ist bei meiner kosmischen Ausstrahlung momentan nämlich nicht auszuschließen. Und Erol Sander ist im Bezug auf ungebetene Flirtattacken bestimmt megaempfindlich. Na ja, vor mir muss er keine Angst haben. Werde mich nicht wie ein nerviges Groupie benehmen, sondern ihm höchstens dadurch auffallen, dass ich ihn nicht angucke und nicht anspreche. Nicht mal zufällig berühren werde ich ihn.
13 Uhr 12 . Ob Kuss auf die Wange als Berührung zählt?
13 Uhr 15 . Stehe kurz hinter Erol Sander und hoffe, er dreht sich nicht um. Dann würde ich ihn unter Umständen aus Versehen doch anstarren, und das möchte ich nicht. Oh Gott, was mache ich nur, wenn ich zufällig den Sitzplatz neben ihm bekomme? Ob ich es schaffe, ihm nicht zu sagen, wie toll ich ihn im «Tatort» fand?
13 Uhr 17 . Mit meiner Atmung stimmt etwas nicht. Die geht für meinen Geschmack etwas zu langsam. Bestimmt war die Medizin toxisch, und ich sterbe beim nächsten Versuch, Luft zu holen. Wenn es nur ein Tod in den Armen von Erol Sander wäre! Aber wie soll ich das machen, ohne ihn zu berühren?
13 Uhr 21 . Scheiße! Werde sofort jemanden bitten, meinen Koffer von dem Gepäckwagen zu holen, und in den Zug umsteigen. Erol Sander hat sich gerade zu mir umgedreht. Wenn das mal nicht doch Paul Rosen ist!
Mir wird schwarz vor Augen.
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7. Paul
Freitagnachmittag
«Gibt es hier einen Arzt an Bord?»
Aufgeregt meldet sich eine Stewardess über die Lautsprecheranlage des Flugzeugs. «Es wird dringend ein Arzt
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