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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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benötigt!»
    Unwillkürlich gehe ich hinter meiner
Süddeutschen
in Deckung. Das soll ja wohl ein Scherz sein. Noch dazu ein sehr schlechter.
    Gerade eben, kurz nach dem Start, habe ich mich noch meiner Sitznachbarin, einer etwa Sechzigjährigen mit schlecht getuntem Gesicht, als Dr. Rosen vorgestellt – und schon bereue ich es. Hätte ich mal besser meine Klappe gehalten. Dabei wollte ich doch nur vorab schon mal etwas Werbung für mich machen. Mit so etwas kann man ja nicht früh genug beginnen. Dummerweise weiß die Kuh nun, dass ich Arzt bin, und sieht erwartungsvoll in meine Richtung.
    Einfach ignorieren.
    Falls die glaubt, ich würde mich freiwillig melden, hat sie sich nämlich getäuscht. Das mache ich mit Sicherheit nicht. Möglicherweise gibt es ja noch einen zweiten Doc an Bord.
    «In der Passagierliste steht ein Dr. Rosen», piepst die Flugbegleiterin erneut durch die Sprechanlage. «Sind Sie zufällig Arzt, Dr. Rosen? Bitte melden Sie sich, wir haben einen Notfall.»
    Ich versinke noch etwas tiefer hinter der Zeitung. Kann man denn nicht mal eine Stunde unbehelligt in einem Flugzeug sitzen, ohne dass jemand zusammenbricht? Meine letzte Woche war schon anstrengend genug, da brauche ich nicht auch noch einen Gastauftritt bei
Flug über den Wolken
. Mein Vater, die mehr als schlechtgelaunte Birte und eine Handvoll Patienten, die offenbar beschlossen hatten, gemeinsam meschugge zu werden, haben mir wirklich den letzten Nerv geraubt. Inzwischen bin ich sogar schon so überarbeitet, dass ich mich von meinen Patienten verfolgt fühle. Ein Signal des Körpers, dass bald mit einem Burnout zu rechnen ist. Anders lässt sich wohl kaum erklären, wieso ich eben am Gate glaubte, die Irre mit der Flugangst erspäht zu haben. Die hätte mir wahrlich noch zu meinem Glück gefehlt!
    «Entschuldigung, Sie sind doch Dr. Rosen, nicht wahr?», fragt mich die Stewardess plötzlich, und ich verfluche innerlich meinen Doktortitel. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie meine Sitznachbarin streberhaft nickt.
    «Ja, das ist er», sagt sie, als sei ich ein gesuchter Meuchelmörder und sie diejenige, die gleich eine satte Belohnung einstreicht. «Eine schöne Moral haben die Ärzte heutzutage.»
    Ich schweige.
    «Ach, ein Glück», haucht die Stewardess und ignoriert den bissigen Kommentar der alten Frau, «bitte kommen Sie schnell, ein weiblicher Passagier hat einen Nervenzusammenbruch.»
    Ich bäume mich noch ein letztes Mal auf. «Also eigentlich bin ich Facharzt für nichtoperative Gesichtsverjüngung», sage ich betont laut, damit erstens der Werbeeffekt auch Wirkung zeigt und zweitens die Kuh neben mir schnallt, warum ich nicht gleich notfallmäßig aufgesprungen bin.
    Der Flugbegleiterin ist beides egal. «Macht nichts, Dr. Rosen, Sie schaffen das schon.»
    Ich hör wohl nicht richtig.
Sie schaffen das schon?
Was bildet die sich denn ein? Natürlich schaffe ich das. Nur, will ich das auch? Ich wünschte, man könnte als Arzt wenigstens einmal inkognito reisen. Ich meine, falls eine Stewardess krank wird, fragt doch auch keiner: «Entschuldigung, haben wir zufällig einen Kellner an Bord? Ja? Könnten Sie dann vielleicht während des Fluges den zweiten Servierwagen vor sich herschubsen? Sie schaffen das schon.»
    Aber ich gebe auf. Denn vermutlich ist es weniger anstrengend, jemandem mal schnell das Leben zu retten, als diese beiden Frauen loszuwerden. «Wo ist denn die Patientin?», frage ich schlapp.
    Die Stewardess strahlt. Sie führt mich in Reihe 13, von der ich eigentlich dachte, dass es sie bei Flügen gar nicht geben würde – von der ich aber plötzlich weiß, dass sie nichts Gutes für mich bereithalten wird.
Wer sich dort platzieren lässt, der traut sich was
, denke ich noch, und im selben Moment springt mir ein männlicher Passagier entgegen. Panisch, als hätte sich gerade die Seitenverkleidung des Flugzeugs verabschiedet, drängt er an mir vorbei auf den Gang.
    «Hier, bitte schön, Herr Doktor, nehmen Sie meinen Platz», bietet er mir an und wird auch schon von einer zweiten Stewardess in Empfang genommen. Sie geleitet ihn zu meinem Sitz, wo er es sich ohne falsche Bescheidenheit sofort gemütlich macht und nach der
Süddeutschen
greift. In mir beginnt es zu brodeln.
    Jetzt rutscht mir aus Reihe 13 auch noch die Reisende vom Mittelplatz entgegen. Mit den Worten «Ich lasse Sie besser mal mit der Dame allein» zwängt auch sie sich an mir vorbei, bleibt kurz unschlüssig im Gang stehen und wird

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