Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
Vom Netzwerk:
der des Vollstreckers. Wer auf irgendeine Art und Weise schräg rüberkommt, wird von Dr. Krunze schneller in die Psychiatrie gesteckt, als er «Ich fühle mich heute irgendwie nicht wohl» sagen kann. Ja genau, zu Krunze sollte ich Frau Schlichting vielleicht mal überweisen. Dann ist sie dort, wo sie hingehört. In ihrem Fall würde die Diagnose lauten:
supranasale Symptomatik
 – ein vorgetäuschter Fachausdruck, der lediglich dazu dient, den behandelnden Kollegen zu warnen: Achtung, die Patientin hat eine ausgeprägte Meise im Oberstübchen.
    Eventuell sollte ich bei Frau Schlichting zusätzlich «Überdosis
Klinik unter Palmen
» vermerken. Denn ausgestattet mit dem
Gala
-befeuerten Verlangen nach Skandalen und klatschblattmäßiger Unterhaltung taucht sie einmal die Woche in meiner Sprechstunde auf, um in meinem Privatleben herumzustochern. Und als hätte ich sonst nichts zu tun, geht sie mir mit ihren ausgetüftelten Pseudowehwehchen, denen man weder mit modernster Labordiagnostik noch ausgefuchsten Untersuchungsmethoden auf die Schliche kommen kann, mächtig auf die Nerven.
    «Liebe Frau Schlichting, meine Tätigkeit hier dient einzig dem Wohle der Patienten. Falls die eine oder andere Dame dabei den Eindruck bekommen hat, dass 

»
    «Papperlapapp», unterbricht sie mich. «Jetzt hören Sie mal mit dem Quatsch auf, Dr. Rosen. Ich bin ja nicht blöd.» Plötzlich kichert sie wie eine wahnsinnige schamanische Kräuterhexe. «Seit Sie hier in der Praxis praktizieren, braucht man drei Wochen, um einen Termin zu bekommen. Früher konnte ich ohne Voranmeldung in der Sprechstunde erscheinen.»
    «Früher gab es auch dieses Neubaugebiet gegenüber nicht. Seitdem ist das Wartezimmer voll, und deswegen bin ich hier. Nicht umgekehrt.»
    Frau Schlichtings Kichern wird noch einen Tick wahnsinniger. «Nein, Herr Dr. Rosen, das stimmt so nicht.» Den Rest des Satzes raunt sie mir direkt ins Ohr: «Es liegt sehr wohl an Ihnen!»
    Ich komme nicht dazu, mich ein weiteres Mal zu rechtfertigen, denn jetzt drückt sie mir ihre Brust noch etwas fester gegen den Körper und sieht mich mit dem Augenaufschlag eines in die Jahre gekommenen Dessous-Models an. «Also bei mir dürften Sie Ihrem Ruf gern einmal gerecht werden 

»
    In diesem Moment klopft es. Kurz, aber energisch, und zwei Sekunden später betritt mein Vater unaufgefordert den Raum.
    «Oh, guten Tag Frau Schlichting, wo drückt denn der Schuh heute?», fragt er in lockerem Tonfall. Etwa so, als träfe er sie gerade zufällig in der überfüllten U-Bahn und nicht mit dem Busen voraus an den Bauchnabel seines Sohnes gepresst. «Kümmert mein Junior sich gut um Sie?» Verschmitzt zwinkert er ihr zu.
    Von seiner Charmeoffensive angestachelt, zwinkert sie zurück. Ob sie meinem Vater wohl auch schon Avancen gemacht hat, überlege ich. Möglicherweise hat er mir deshalb heimlich ihre Karteikarte untergejubelt. Vielleicht ist sie ihm aber auch einfach nur auf die Nerven gegangen. So wie mir jetzt.
    «Ach, danke, Herr Doktor. Ihr Sohn ist ganz reizend zu mir. Sie können sich glücklich schätzen, eine so tüchtige Hilfe zu haben.»
    Mein Vater winkt ab. «Dafür habe ich Paul schließlich studieren lassen. Und nun ist es an der Zeit, dass er seine Studiengebühren abarbeitet. Hahaha!»
    Witzig. Die Schlichting findet es offenbar tatsächlich komisch, denn sie klatscht in die Hände, wofür sie sich endlich von meinem Bauch lösen muss. Brüstewackelnd stimmt sie meinem Vater zu. «Wie praktisch! Dann müssen Sie sich um Ihre Nachfolge ja keine Sorgen machen, nicht wahr? Der Junior wird den Laden hier schon schmeißen.» Wieder dieser Augenaufschlag.
    Herrje, jetzt stochert die dumme Kuh auch noch in der Familienwunde herum: das elende Praxisübernahme-Thema, das eigentlich gar keines ist. Von Übernahme kann nämlich keine Rede sein. Mein Vater wird vermutlich noch praktizieren, wenn Daimler, Rauhaardackel und auch das Epiliergerät längst das Zeitliche gesegnet haben. Und meinetwegen soll er das auch. Ich will seinen Provinzkarteikasten ganz bestimmt nicht haben. Und wenn er sich endlich eingesteht, ohne die erforderlichen Neuanschaffungen und modernen Konzepte nicht mehr klarzukommen, werde ich ohnehin längst in der Schweiz sein. Dann kann er sich einen anderen suchen, der nach seiner Pfeife tanzt.
    «Hat mein Sohn Ihren Pectoralis untersucht?» Schon fängt mein Vater an, sich einzumischen. «Schulterschmerzen können durchaus mal von der Brust her

Weitere Kostenlose Bücher