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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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ausstrahlen, nicht wahr, Paul? Vergiss den Pectoralis nicht!»
    Unglaublich. Als wäre ich Student im ersten Semester, hat er sich hinter meinem Rücken an den Schreibtisch geschlichen und studiert meine Eintragungen in der Patientenakte. Noch etwas, das längst nicht mehr zeitgemäß ist. Ich meine, wer benutzt denn heute noch herkömmliche Karteikarten? Ich kenne jedenfalls keinen Kollegen, der sich nicht kaputtlachen würde, wenn man ihm davon erzählte. Im Zeitalter der Digitalisierung erfolgen die Eintragungen natürlich längst am Computer. Und ohne selbst ein Technikfreak zu sein, wage ich dennoch zu behaupten, dass mein Vater sich aufgrund der fehlenden Elektronik langsam zum Gespött der Branche macht. Mal abgesehen davon, dass er mit anderen Praxen bald nicht mehr kommunizieren kann. Aus diesem Grund hat meine Mutter zumindest schon mal einen Computer für den Empfang angeschafft, und ich habe mir selbst einen in mein Sprechzimmer gestellt.
Ich
möchte nämlich nicht ausgelacht werden.
    «Paul! Hast du den Pectoralis untersucht?» Mein Vater gibt nicht auf.
    Was glaubst du wohl, was ich hier gerade mache?
, hätte ich gern erwidert, aber wenn einem die entblößte Brust einer Frau am Bauch klebt, kann so eine Antwort schon mal falsch interpretiert werden. Also knurre ich nur zustimmend.
    Mein alter Herr ignoriert es. Zufrieden, sich ein bisschen eingemischt zu haben, leitet er seinen Rückzug ein. «Also, Frau Schlichting, ich wünsche Ihnen gute Besserung. Bis zum nächsten Mal!», flötet er fröhlich und wirft noch einen letzten Blick auf ihren Busen, ehe er seinen Kontrollgang beendet und sich trollt.
    Kaum hat er das Sprechzimmer verlassen, springt die Schlichting auf. Kurz befürchte ich, sie würde nun halbnackt hinter meinem Vater herstürzen und behaupten, ich hätte statt des Pectoralis ihren Busen begrapscht. Doch sie greift sich nur schweigend den BH und streift sich mit einstudierter Laszivität die Träger über. Dann plinkert sie mich an. Jetzt folgt die Kumpel-Nummer: «Also mal unter uns, Herr Dr. Rosen, Sie sind doch gar nicht der Typ für eine Hausarztpraxis in St. Georg. Sie haben doch bestimmt andere Pläne, oder?»
    Mir reicht es. Das zahlt mir doch kein Mensch. Und seit man für Beratung und Untersuchung nur noch 35 € pro Quartal bekommt, beschränkt sich mein Bedürfnis nach Smalltalk mit Patienten ohnehin auf attraktive Blondinen und männliche Sportbootbesitzer. Vor allem auf solche, die ihr Große-Jungen-Spielzeug zum Freundschaftspreis an mich veräußern möchten.
    «Frau Schlichting, ich könnte wirklich noch stundenlang mit Ihnen plaudern, aber das Wartezimmer ist voll, und ich bin leider bereits im Verzug. Sie sind kerngesund und lediglich ein bisschen verspannt. Deshalb sollten Sie regelmäßig Ihre Gymnastik machen.» Mein Blick ist streng. «Aber das sagte ich Ihnen ja bereits, als Sie wegen der zwickenden Hüfte, dem steifen Hals, den Quietschgeräuschen im Knie und der Morgensteifheit hier waren.» Pause. Und erneuter strenger Blick. «Wenn also sonst nichts mehr anliegt 

»
    Dann würde ich Sie jetzt gern hier herauskatapultieren.

[zur Inhaltsübersicht]
2. Nella
    Mittwochvormittag
    11  Uhr  05 . Scheiße, Scheiße, Scheiße! Kann meine Versichertenkarte nicht finden! Verdammt. Habe um 12 Uhr 30 einen Arzttermin, und die Versichertenkarte ist hierfür nun mal unerlässlich. Ist fast so etwas wie ein Clubausweis: Ohne kommt man nicht rein.

    11  Uhr  10 . Herrje – bin so gut wie tot. Falls ich am Freitag ohne Medizin ins Flugzeug steigen muss, sterbe ich definitiv. Höchstwahrscheinlich sogar noch ehe der Snack serviert wird. Und der Snack ist, in Bezug auf den Flug, momentan das Einzige, auf das ich mich freue.
    11  Uhr  25 . Gerade fällt mir ein, dass ich die Karte letzte Woche dazu benutzt habe, einen Ohrring zwischen den Bodendielen herauszufischen. Vielleicht sollte ich also mal in der Schmuckschublade nachsehen.
    11  Uhr  30 . Schmuckschublade negativ. Viele Suchmöglichkeiten verbleiben jetzt nicht mehr. Ich lebe schließlich nur in einer 1-Raum-Wohnung und nicht in einer 16-Zimmer-Promi-Villa.
    Hm, was wohl Angelina Jolie macht, wenn sie ihre Karte verliert? Sämtliche Poolreiniger aus der Nachbarschaft zusammentrommeln, damit die ihr beim Suchen helfen? (Muss beim nächsten Umzug unbedingt darauf achten, einen Pool im Haus zu haben, um wenigstens einen wohlgeformten Poolreiniger um Hilfe bitten zu können.)
    Möglicherweise hat

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