Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
trotz ihrer Hochzeit vor acht Jahren nennt, nicht verscherzen. Sie hat das Herz eines japanischen Yokosuka-Piloten und das Auftreten eines durch den Wesenstest gefallenen Rottweilers. Manchmal auch umgekehrt. Sie ist also eigentlich nicht gerade die Art von Frau, die Männerherzen höherschlagen lässt. Warum ich trotzdem mit ihr im Bett gelandet bin, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Möglicherweise lag es daran, dass sie sich mir an den Hals geworfen hat und ich, aus den eben aufgezählten Gründen, nicht nein sagen mochte. Vielleicht war auch ein kleines bisschen Neugierde mit im Spiel. Denn den oberkorrekten Vorzimmerfeldwebel meines Vaters mal auf zerwühlten Laken die Fassung verlieren zu sehen übte schon einen gewissen Reiz auf mich aus. Ein oder zwei gemeinsame Nächte, mehr sollten es nicht werden. Und mehr konnten es auch gar nicht werden, denn Birte ist ja, wie bereits erwähnt, verheiratet.
Als vielbeschäftigter Arzt, der noch dazu kurz vor einem wichtigen Karrieresprung steht, bin ich auch überhaupt nicht interessiert an einer festen Bindung. Lieber lasse ich mich mit verheirateten Frauen ein, das spart Zeit und Geld gleichermaßen. Denn verheiratete Frauen haben in der Regel, neben ihren häuslichen und ehelichen Pflichten, keine Zeit zu verplempern und kommen gleich zur Sache. «Nich lang schnacken – schneller knacken», pflegt ein Kollege, den ich ab und zu auf einer Fortbildung treffe, zu sagen. Und recht hat er, auch wenn man ein solches Lebensmotto besser nicht allzu laut herausschreien sollte.
Im Alltag erweist sich eine geheime Liaison jedenfalls als äußerst praktisch. Es wird nicht lange um den heißen Brei herumgeredet, sondern stattdessen, nicht selten mit erschreckendem Pragmatismus, ein passender Termin für das gemeinsame Schäferstündchen gesucht. Und die Tatsache, dass man zudem stets im Verborgenen agieren muss, ist dabei ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Denn Aktivitäten, wie beispielsweise den Hund Gassi zu führen, die Freunde des anderen kennenzulernen oder gar gemeinsam Urlaub zu planen, sind bei einer Affäre natürlich tabu. Zum Glück, kann ich nur sagen. Was mir aus diesem Grund in den letzten Jahren an schlechten Filmen, schrägen Freunden und unwegsamen Spazierwegen erspart geblieben ist, möchte ich mir gar nicht näher ausmalen. Und dann ist da ja noch, wie bereits erwähnt, der Geldfaktor. Gerade als Arzt muss man ständig auf der Hut sein. Viele Frauen wollen sich erstens in deinem Doktortitel sonnen, um dich dann zweitens – ganz nebenbei – finanziell auszunehmen. Und hat der Mann erst einmal seine Kreditkarte gezückt, gibt es für Frauen meist kein Halten mehr. Heute soll es eine Tasche sein, morgen die passenden Schuhe dazu. Übermorgen fehlt ein Kaschmirmantel, dann eine Nerzstola und ein Brillantring. Dann harmoniert die Haarfarbe mit all dem nicht mehr, das Auto erscheint plötzlich mickrig, und die Wohnung wird für den ganzen Krempel zu klein. Kurz: Es ist ein Fass ohne Boden. Bei einer verheirateten Frau allerdings kein Problem. Da ist man als Liebhaber in der glücklichen Lage, gar nichts kaufen zu
dürfen
. Viel zu auffällig! Zwar sagt man ja den meisten Ehemännern nach, dass sie sich im Kleiderschrank, in der Schmuckschatulle und in der Seele ihrer Frau etwa so gut auskennen wie ein Tasaday in Tokio, aber Vorsicht! Mit Ausnahmen muss man immer rechnen.
Natürlich gibt es auch Nachteile, wenn man die Affäre ist, also der Fremd-Mann: Man wird gnadenlos vollgequatscht. Frauen wollen ständig und über alles reden. Über ihre Befindlichkeiten, ihren Mann, über den neuen Fitnesstrainer, die Ehe von Tom Cruise und – besonders beliebt – über ihre Menstruation. Sie fühlen ständig irgendetwas und schrecken nicht davor zurück, es dir mitzuteilen. Bis ins kleinste Detail. Frauen brauchen mehr Aufmerksamkeit als ein nepalesischer Zimmerbambus, und ich bin heilfroh, dass bei einer Affäre die Gesprächszeit begrenzt ist.
Aber wenn man über diese kleinen Unwegsamkeiten hinwegsieht, sind verheiratete Frauen im Grunde genommen gut zu handhaben. Und so dankbar. Gebeutelt von den Strapazen ihrer freudlosen Ehe, reicht es meist an Aufmerksamkeit, wenn man nach dem Sex nicht sofort einschläft. Besondere Glücksmomente kann man erzeugen, wenn man ihnen ein Kompliment macht, Interesse zeigt oder sie etwas fragt. Beispielsweise: Wie war dein Geburtstag/deine Präsentation/der Abend im Theater/dein Besuch beim Enthaaren?
Nicht selten
Weitere Kostenlose Bücher